Ungewöhnliche Reglerkonzepte: Der Faltenschlauch-Mundstückregler Von Dipl.-Ing. Rainer Lange Schon vor Jahrzehnten wollte ich einen Atemregler bauen, der die günstige Lagecharakteristik eines Mundstück-Automaten mit der wärmeren und nach meinen Empfinden angenehmeren Luft eines Faltenschlauchers kombiniert, dessen Atemwiderstand also weniger als bei der "normalen" Ausführung des Automaten entsprechend des grundlegenden Patentes von Gagnan/Cousteau (Air Liquide) von der Lage des Tauchers abhängig ist. Hier wird das Ausatemventil sehr dicht an der Einatem-Membran angeordnet, was den Lageeinfluss zwar geringhält, jedoch bei Extremlagen, Kopfstand oder Aufrechtstehen, unangenehm bemerkbar wird. Bekannte Beispiele für andere Lösungen, die oft auch entstanden, um das Patent von Air Liquide zu umgehen, sind: Dacor: "Dial-A-Breath" mit zwei gekoppelten Membranen Dräger: "PA 38", bei dem eine Hilfsmembran eine zusätzliche Kraft auf das Ausatemventil ausübt Pirelli: "Explorer" mit einem zusätzlichen von der Einatem-Membran betätigten Ausblasventil Es gibt also mehrere Möglichkeiten. Hier wird nun eine relativ einfache vorgestellt, die ich auch gebaut habe. Meine Konstruktionsziele waren: 1.) Die meisten Taucher verwenden heute Mundstückautomaten. Die Lagecharakteristik entspricht damit am besten den Wünschen der meisten Schwimmtaucher. Der Faltenschlauchregler soll daher auch diese Lagecharakteristik bekommen. 2.) Bei einem üblichen Faltenschlauchregler muss die Einatem-Membran möglichst dicht zwischen den Schulterblättern sitzen, damit die Lageabhängigkeit der Atemwiderstände nicht unnötig groß wird. Leider lässt sich eine ideale Anordnung aus Platzgründen nicht immer erreichen. Die Lage der Einatem-Membran soll daher keinen Einfluss haben. 3.) Faltenschläuche lassen sich (nur) von den Schulterblättern sehr bequem zum Mundstück führen, um den Kopf weit bewegen zu können. Dazu beginnen sie dicht am Drehpunkt des Kopfes. Das Einatemventil soll also auf den Rücken sein. 4.) Der Regler soll mit einfachen u. zuverlässigen Komponenten realisierbar sein. Schema des neuen Reglers Die Ausatemluft füllt zuerst den Speicher und geht dann ins Wasser. Bei der Einatmung ist das Richtungsventil (08) geschlossen, man saugt wie üblich die Luft durch den Einatemschlauch (09) an. Teile des Reglers Die Anforderungen an den Luftspeicher (02) sind: 1) Der Luftdruck entspricht dem Wasserdruck auf Höhe des Ausatemventils (03). 2) Das Entnahmevolumen muss ausreichen, um ein genügendes Luftvolumen zur Bewegung der Einatem-Membran (05) zur Verfügung zu stellen. 3) Es darf durch die Entnahme aus dem Speicher nicht zu einer Druckdifferenz kommen. 4) Die Lage im Wasser soll keinen Einfluss auf den Speicherdruck haben. 5) Die Füllung des Speichers soll ohne zusätzlichen Luftverbrauch geschehen. Dazu bietet sich also die Verwendung der Ausatemluft an. Überraschenderweise lassen sich alle Forderungen an den Speicher einfach realisieren. Ein starres Gehäuse wird mit einer leicht beweglichen Membran verschlossen, in deren Mitte das Ausatemventil sitzt. Bei einem Luftdruck im Speicher, der dem Wasserdruck in der Mitte der Membran entspricht, gilt: Summe der Kräfte durch den Luftdruck = Summe der Kräfte durch den Wasserdruck. Beim Drehen des Speichers verbleibt ein kleines Drehmoment auf die Membran. Der Speicherdruck entspricht damit immer den Wasserdruck auf Höhe (bzw. Tiefe) des Ausatemventils, unabhängig davon in welche Lage der Speicher gedreht wird. Atemphase Ausatmung: Bei der Ausatmung wird die Speichermembran vorgewölbt und der Speicher damit gefüllt. Danach entweicht die Luft durch das Ausatemventil ins Wasser. Der Ausatemdruck wirkt auf beide Seiten der Einatem-Membran, er steuert also nicht. Atemphase Einatmung: Bei der Einatmung darf der Unterdruck nur auf der Innenseite der Einatem-Membran wirken. Hierzu ist am Eingang des Speichers ein Richtungsventil angebracht. Sicherheit Es gibt einen Sicherheitsnachteil gegenüber Standard-Faltenschlauchautomaten. Die einzigen zusätzlichen Teile gegenüber dem Standard sind das Speichergehäuse und das Richtungsventil. Das Richtungsventil (08) am Eingang des Speichers ist die sicherheitsrelevante Komponente. Wird es stark undicht, saugt man bei der Einatmung auf beiden Seiten der Zweitstufenmembran, es kommt keine Luft. Man sollte es daher so sicher wie möglich ausführen. Es muss genügend Speichen haben, damit der Ventilteller nicht durch den Sitz gezogen werden kann. Grober Schmutz oder Erbrochenes dürfen nicht ins Mundstück gelangen. Man kann den Speicher in wenigen Sekunden aufschrauben und das Richtungsventil reinigen, wenn man die Nerven dazu hat. Auch deswegen sollte die erste Stufe einen Mitteldruck-Abgang haben, um einen zusätzlichen Mundregler anschließen zu können, der notfalls verfügbar ist. Zusammengebautes Gerät für die Erprobung Erprobung Die Erprobung verlief von Anfang an sehr erfolgreich. Alle Konstruktionsziele wurden vollständig erreicht. Zum Vergleich habe ich einen "normalen" Faltenschlauch-Automaten mit der gleichen 2. Stufe gebaut, der auch auf meiner gebogenen speziellen Faltenschlauch-Trageplatte so dicht es geht an den Schulterblättern sitzt. Ich habe drei Taucher zuerst mit diesem üblichen Faltenschlauchregler und danach mit dem Faltenschlauch-Mundstückregler tauchen lassen. Alle Taucher, die allerdings Mundstücksregler gewohnt waren, würden den Faltenschlauch-Mundstückregler vorziehen. Besonders, dass man in Rückenlage nicht aufgeblasen wird, wurde angemerkt. AIte Faltenschlauchtaucher, besonders wenn sie auf blasenfreie Sicht Wert legen, könnten andere Prioritäten haben. Bewertung Wenn es nur um die lageunabhängigen Atemwiderstände geht, kann man den herkömmlichen Mundstückregler verwenden. Der Faltenschläucher liefert dagegen die angenehme wärmere Luft, in kaltem Wasser ein nicht zu unterschätzender Vorteil, und ist so mein persönlicher Favorit. Solche Bewertungen sind natürlich sehr individuell. Unser Autor Rainer Lange ralahl@yahoo.de ist Jg. 1953 und Diplomingenieur für Maschinenbau. Er experimentierte 1967 mit Sperrholzplatten auf den Ohren gegen Wasserdruck, lernte aber 1968 durch Cousteaus "Die schweigende Welt", wie man richtig taucht und wie man technische Probleme erfolgreich angeht . Seitdem baute er verschiedene offener Geräte und Rebreather, Hobby : Tauchen ohne Gerät . Er erzählt: "Obwohl Wessi habe ich mit 15 Jahren mein erstes Schlauchtauchgerät selbst gebaut. Das war bei uns im Westen streng verpönt, man galt als unverantwortlicher Todeskandidat. Es gab sogar Kommissionen, die entscheiden mussten, welchen Automaten man an welches Flaschenpaket schrauben durfte, ohne den Versicherungsschutz zu verlieren. Als nach der Wende die Ostkollegen zu uns kamen, gab das einen enormen Anschub, besonders was den Rebreather-Selbstbau anging…" Erprobung des Reglers im Wasser Tester: Lothar Seveke Der Regler war provisorisch an einem 4-l-Doppelgerät montiert, siehe Foto unten. Er saß für einen Zweischlauchregler eigentlich zu hoch am Gerät, aber das PTG insgesamt wird durch einen Schrittgurt tief gehalten, sodass der Regler nahezu zwischen den Schulterblättern liegt. Das PTG hatte während des Tests (bis 6 m Tiefe) einen Druck von 140 bis 70 bar. Der Tester ist allerdings notorischer Zweischlauchtaucher und in den letzten 20 Jahren wohl nur mit diesen Reglern getaucht. Folgende Anmerkungen kann man ohne Wertung in der Reihenfolge machen: - Der Regler lässt sich problemlos montieren und arbeitet im Trockentest einwandfrei. Allerdings ist die Montage in der gegenwärtigen Ausführung durch die Trennung von erster und Speicher-Stufe umständlicher als die eines normalen Kompaktreglers. - UW atmet sich der Regler extrem leicht und (subjektiv empfunden) völlig unabhängig von der Lage, Schwimmen, Kopfstand, aufrecht hängen, Rückenlage, … Auch bei starker Belastung (schnelles Schwimmen) kommt gleichmäßig genügend Luft. - Die befürchteten Blasen stören in Schwimmhaltung kaum, da sie wegen der tiefen Lage des Mundreglers unter dem Kinn am Hals entlang gleiten. Beim Übergang in die senkrechte Lage streifen die Blasen natürlich auch vor der Maske vorbei. Das Geräusch ist so laut, wie bei einem Einschlauchregler üblich. Provisorische Testanordnung am 4-l-Doppel - Bei waagerechter Lage an der Oberfläche und Mundstück außerhalb des Mundes auf der Brust liegend (z.B. schwimmen zum Boot), bläst der Regler nicht ab. Das beginnt erst beim Übergang in die senkrechte Lage, allerdings relativ leicht und nur, wenn das Bissstück nach oben zeigt. Wenn man es waagerecht auf den Taucher richtet, bläst der Regler nicht mehr ab. - Der Mundregler hat erheblichen Auftrieb und "klappt" in Schwimmlage am Bissstück nach oben. Wenn man den Kopf senkt, klappt er nach unten. Wie bei vielen Zweischlauchreglern haben die Faltenschläuche auch hier Auftrieb und "raspeln" an den Ohren. - Beim Sprung ins Wasser mit Gerät entsteht durch die waagerecht liegende Mundregler-Schale ein wesentlich größerer Impuls als beim Einschlauchregler oder gar durch das Mundstück eines konventionellen Zweischlauchreglers. Bei der Einweisung muss also unbedingt auf das Festhalten des Reglers beim Sprung hingewiesen werden. - Wenn man den Mundregler aus dem Mund nimmt oder das Gerät ablegt, laufen die Schläuche und Speicherräume (teilweise) voll Wasser. Bei 10-maligem Versuch (Mundstück raus und Drehungen um die eigene Achse, ohne es fest zu halten) lief 8-mal nur die Ausatemseite voll. Sie konnte problemlos ausgeblasen werden (sofern noch genug Luft in der Lunge war). 2-mal war aber auch die Einatemseite voll, sodass beim Einatmen nur Wasser kam, hust. Es ist mir nicht gelungen, dies UW wieder vollständig frei zu bekommen, auch nicht durch Anheben des Mundstücks (abströmen), wie sonst beim Zweischlauchregler üblich. Schlussfolgerungen - Das Atemverhalten in jeglicher Schwimmlage ist gleichbleibend hervorragend und sollte diesbezügliche Vorurteile gegen Zweischlauchregler erfolgreich abbauen. - Die Belästigung durch aufsteigende Ausatemblasen ist in Schwimmlage erträglich. Die Geräuschentwicklung "weit vorn" bleibt allerdings prinzipbedingt die gleiche wie beim Einschlauchregler (störend für Fotografen am scheuen lebenden Motiv). - Das Abblasen in Rückenlage an der Oberfläche ist sehr gut beherrschbarer, könnte auch noch durch einen Mundstückstöpsel oder ein verschließbares Mundstück völlig ausgeschlossen werden. - Dem starken Auftrieb des Mundreglers sollte durch eine Austarierung mit Gewichten entgegengewirkt werden. - Der Einatembereich sollte durch ein zusätzliches Richtungsventil vor Volllaufen weitgehend geschützt werden. - Zur besseren Montierbarkeit sollte für erste Stufe und Speicherstufe ein Kompaktregler mit verschlossenen Ausatemöffnungen eingesetzt werden. Erste Veränderungen Das weitere Vorgehen versuche ich durch den Dialog zwischen Rainer und mir zu verdeutlichen: Lothar: Inzwischen habe ich Deine Mundstufe mal an einem Hydromat erprobt, dessen Ausgangslöcher blockiert waren, siehe Foto. Die Anordnung hat sich in Schwimmlage deutlich leichter geatmet als der originale Hydromat und sich auch sonst so gut verhalten wie Deine originale Konstruktion, bis auf die Ausnahme des senkrechten Kopfstandes, da ging er mit einem Mal in einem engen Bereich deutlich schwerer. Rainer: Die Ausnahme beim senkrechten Kopfstand erklärt sich einfach dadurch, dass in diesem Fall das Steuervolumen der Mundstückmembran zu klein ist. Knapp ist es sowieso, weil der Hydromat (größere Membran) zum vollen Öffnen etwas mehr Steuervolumen braucht als das Mundstück liefern kann. Beim Kopfstand befinden sich weite Bereiche des Faltenschlauchs in einem Bereich niedrigeren Wasserdrucks als die Mundstückmembran, die den Druck regelt. Der Faltenschlauch dehnt sich aus und verbraucht dabei einen Teil des Steuervolumens der Mundstückmembran. Meine Dräger 2.Stufe braucht weniger Steuervolumen, hier tritt dieser Effekt nicht (oder nicht so deutlich) auf. Bei harten Schläuchen gäbe es diesen Effekt nicht. Nach der ersten Ausatmung sollte dieser Effekt aber vorbei sein. Zur Abhilfe kann man erst in waagerechter Lage einatmen und beim Kopfstand zuerst ausatmen. Das wird sich noch weiter so fortsetzen, bis wir beide zufrieden sind, und den (vorläufigen) Endzustand werden wir dann sicher hier vorstellen.