Das „amphibische“ Atemgerät GC 42/47 Von Dr.-Ing. Lothar Seveke In [Sev1] habe ich die Palette der Atem- und Tauchgeräte der französischen Firma Commeinhes vorgestellt, die schon ab 1942 innovative und praxistaugliche tauchbare Geräte enthielt (Tauchweltrekord 1943 mit dem GC42) und viele Leistungsmerkmale der erst später eingeführten Geräte von Gagnan/Cousteau (CG45) vorwegnahm und teilweise über sie hinaus ging. Über die entsprechend den Patenten von Georges Commeinhes wirklich realisierte innere Technik der Geräte GC42/47 ist relativ wenig bekannt, obwohl sie in vielen Sammlungen enthalten sind. Es galt also, die Dokumentationslücke nach dem GC39 bis vor dem C58 zu schließen. David Dekker stellte dafür dankenswerter Weise ein GC42 zur Verfügung. Das sogenannte Behälter-Gerät GC 42, für „George Commeinhes 1942“, der Firma Commeinhes aus St. Maur bei Paris ist ein Pressluftgerät für die Nutzung in giftiger Atmosphäre oder unter Wasser, daher amphibisch. Es wurde von George Commeinhes in der Firma seines Vaters René nach dem Waffenstillstand Frankreichs mit dem deutschen Aggressor 1941 konstruiert. In der Firma baute man schon seit den 1930er Jahren Behälter-Atemgeräte für die Feuerwehr und das Militär (RC 35, MC 39, …). George hatte auch bereits das RC 35 seines Vaters, dass dieser aus einem Kreislaufgerät in ein Behältergerät mit Pressluftflaschen umentwickelt hatte, in ein amphibisch nutzbares Gerät umgebaut, da er über das Speerfischen am Tauchen interessiert war. Passend zum GC 42 hat George das Patent [Com1] 1942 eingereicht, wobei der dort konzipierte Regler mit Faltenbalg wohl nie oder nur in sehr geringer Stückzahl mit dem Gerät produziert wurde, sondern mehr der Regler mit großer Flachmembran, wie er später auch für das GC 47, ev. auch mit Kompensation, verwendet wurde und in dem Patent [Com3] niedergelegt ist (Variante 1 der beiden dort gezeigten Regler). Viele Sammler geben unverständlicherweise kaum Details über ihre Commeinhes-Geräte heraus (oder kennen sie nicht?). So ist beispielsweise nicht klar, ob im GC 42 jemals der Regler mit Faltenbalg (Bild 23) oder die Version als Pendelatmer ohne VGM aus dem Patent [Com2] verwendet wurden, oder ob im GC 47 jemals der kompensierte Regler nach Patent [Com3] Bild 23 zum Einsatz kam. Die Pendelatmer-Version mit Mundstück und normaler Halbmaske (keine VGM mit Ausatemventil wie in [Com3]) ist insofern von Bedeutung, als sie die Anbringung des Ausatemventiles nahe an der Reglermembran vorwegnimmt, die sich später Gagnan und Cousteau noch einmal explizit patentieren ließen. Der Pendel-Atemschlauch hat auf jeden Fall die Möglichkeit geboten, das Tauchgerät mit einer Halbmaske zu nutzen, oder man konnte einen Ausatemschlauch montieren, siehe Bild 24, Galerne ab 1949. Ob das Ausatemventil in unmittelbarer Nähe der Reglermembran eher zufällig oder absichtsvoll platziert wurde, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Auch Rouquayrol & Denayrouze hatten das ja schon so getan. Gesamtgerät Das Gerät GC 42/47 wurde vom Äußeren her schon ausführlich in [Sev1] vorgestellt, deshalb hier dazu nur noch einige Bilder vom real verfügbaren Gerät. Seine Herkunft aus der Atemschutztechnik leugnet das Gerät nicht, erkennbar an den kleinen Flaschen und deren Austauschbarkeit während der Nutzung und an der ledernen Bebänderung. Ob die amphibische Nutzbarkeit ein gewolltes Entwicklungsziel war, darf bezweifelt werden. Dass man AUCH damit tauchen konnte, hat sich ergeben und war in dieser Zeit nützlich, in der noch keine oder zu wenig echte Tauchgeräte zur Verfügung standen. Die Ventile waren nicht für INT standardisiert, und in dem Tragegestell konnte man keine 7- oder 10-l-Flaschen montieren. Der Regler war fest eingebaut und konnte so nicht in anderen Konfigurationen genutzt werden. Andererseits war das TG klein und sehr kompakt und damit für spezielle kurzdauernde Einsätze bei der Marine, in Wracks oder Höhlen gut geeignet. Bild 07: Tragegestell aus gefalztem Blech Bild 05: Vollgesichtsmaske (VGM) mit einstellbarem Ausatemventil Die Vollgesichtsmaske hat ein sehr modernes Design, minimales Volumen, plane Frontscheibe, Nasenerker für Druckausgleich, einstellbares Ausatemventil, Swivel für den Einatemschlauch. Die Flaschenbrücke hatte Rückschlagventile, damit die nur handfest angeschraubten hängenden Flaschen während des Betriebes, ohne das Gerät absetzen zu müssen, vom Nutzer selbst gewechselt werden konnten. Sehr nützlich für lange trockene Rettungseinsätze. Aber unter Wasser würde man wohl eher das komplette Gerät wechseln oder? Bilder 07 & 08: Brücke mit Rückschlagventilen Auch die Schnellkupplung für die Flaschen ist für unseren UW-Einsatz eigentlich nicht relevant, ist aber so interessant, dass ich sie wenigstens zeigen will, siehe Bilder 10 -12. Es gibt also viele schöne, innovative Details an diesem Gerät, das aus der Zeit um 1940 stammt und sicher eines der zweckmäßigsten Atemschutz-Behälter- Geräte seiner Zeit war. Bilder 10, 11, 12: Flaschen-Schnellkupplung des GC 42/47 Es wurde auch in sehr großen Stückzahlen vom französischen Militär und den Rettungsorganisationen angeschafft. Nach dem Krieg half es mit, die Angebotslücke von Tauchgeräten zu überbrücken. Neben vielen anderen war wohl die Nichtmodularität solcher Geräte , spezieller Flaschenanschluss, fest eingebauter Regler, Einzweck-Tragegestell,... der Grund für ihr Verschwinden vom Markt. Der Regler des GC42 und seine Einordnung in die Erfindungen bedarfsgesteuerter Pressluft-Tauchgeräte war der Grund, dieses Mitglied aus der Commeinhes-Gerätefamilie nochmals separat zu betrachten. Meiner Ansicht nach sind die folgenden Erfindungen, die zu praxistauglichen Geräten führten und in großer Stückzahl produziert wurden, die wahren Vorläufer unsere heutigen Tauchregler: - 1870 Rouquayrol/Denayrouze, 1-stufig, automatisch bedarfsgesteuert, - 1918 Ogushi, nichtautomatische Beiß-Steuerung, - 1925 Fernez/Le Prieur, PTG mit Freeflow, - 1933 Le Prieur, manuelle Fluss-Steuerung, - 1937 G. Commeinhes, angepasstes Atemgerät, bedarfsgesteuerter Regler, - 1941 Victor Berge, Mundregler, 2-stufig, automatisch bedarfsgesteuert - 1942 G. Commeinhes, Amphibien-Gerät GC42, 1-stufig, bedarfsgesteuert, - 1943 Gagnan/Cousteau, 2-stufig, automatisch, Wenn man nur das Schwimmtauchen betrachtet, bleiben in einem sehr engen Zeitbereich die letzten drei Erfindungen als wesentlich und grundlegend für unsere heutigen Regler. Seltsamerweise, aber wohl durch die Kriegsereignisse verursacht, kamen sie unabhängig voneinander zustande. Jeder der drei erfand auf der Basis seines physikalisch-technischen Grundwissens und kam auf die so naheliegende Lösung: eine vom tiefenabhängigen Wasserdruck beauflagte Membran reagiert auf den Ein-atemunterdruck des Tauchers und öffnet ein Ventil. Die Problematik des Ausatmens lösten sie etwas unterschiedlich: - Berge arbeitete mit dem bekannten Mundregler und atmete dicht daneben durch die Manschette der ORCO-Maske ab, - Commeinhes legte sein Ausatemventil (zufällig oder bei Rouquayrol abgeguckt?) neben die Reglermembran (Pendelschlauch nach Bild 23, nachdem er vorher ein einstellbares Ausatemventil an der VGM verwendet hatte), - Gagnan brachte sein Ausatemventil GEZIELT in den Druckbereich der Reglermembran und brauchte dazu den zweiten Schlauch. Berge und Gagnan verwendeten aktuelle industrielle Regler, wobei der von Gagnan so groß war (1. und 2. Stufe eines Gasreglers aus dem Auto), dass er am Flaschenventil befestigt und mit einem Faltenschlauch mit dem Mundstück verbunden werden musste. Berges dagegen war so klein (dank der us-amerikanischen Flugzeugindustrie), dass er ihn am Mund tragen konnte. Sein Mitteldruck kam entweder per Schlauch von oben oder aus einer Flasche auf dem Rücken, wo ein Reduzierregler war [Will]. Commeinhes verwendete als Ablösung des im Wasser empfindlichen „Steuersacks“ aus dem MC37 seines Vaters [Sev1] einen 1-stufigen Regler mit großer Membran und 2-Hebel-Werk, wie er in industriellen Reglern nicht üblich war. Außerdem erfand er eine Kompensation für den Reglerkolben, der den Atemwiderstand vom Flaschendruck unabhängig machte und erst Jahrzehnte später in Tauchreglern üblich wurde. Wer will nun bewerten, wo die größte Erfindungshöhe lag? Wer der ökonomische Gewinner war, wissen wir ja! Bild 20: Flachmembran-Regler aus dem GC42 Bild 21: Regler mit Kompensation Wie sieht nun der Commeinhes-Regler aus? Die Membran ist sehr groß, am Rande gewellt und fest an das Hebelwerk gekoppelt, was einen sehr guten Wirkungsgrad verspricht. Das Hebelwerk besteht zwar richtig aus zwei Hebeln, die aber unvorteilhaft kurz sind, wofür es eigentlich keinen Grund gibt. Es ist sehr massiv ausgeführt (Bilder 18&19 unten), so dass dort kaum Verschleiß zu erwarten ist. Der Grundkörper des Hebelwerks ist in der Höhe veränderbar, wodurch der Regler einstellbar wird. Bilder 18 & 19 Der durch die Hebel bewegte Stößel durchdringt einen Dichtungskörper und drückt auf den Dichtkegel gegen eine Feder (Bild 20 links). Im Einatemstutzen für den Faltenschlauch (hier Ausatmung über die VGM), also in Luft, ist übrigens noch eine Restdruckpfeife, obwohl am Gerät ein vom Taucher ablesbares Manometer vorhanden ist (Bild 07 vorn). Ein wesentliches innovatives Merkmal des Reglers ist seine Kompensation (Bild 21). Der Kolben der Hochdruckstufe bleibt vom Umgebungsdruck unbelastet, da dieser von beiden Seiten wirken kann. Ziel ist, den Einatemwiderstand vom Flaschendruck unabhängig zu halten. Dies ist die erste Kompensation in einem einstufigen Tauchregler, von der ich gehört habe. Später wurde sie erfolgreich auch in anderen Reglern angewendet, z.B. im Royal Mistral von USD und im polnischen Kajman. Ob das im Patent gezeigte Prinzip aus Bild 21 allerdings in den produzierten GC42/47 breit eingesetzt wurde, ist mir unbekannt. Für zweckdienliche Hinweise dazu wäre ich dem Leser dankbar. Es war jedenfalls unter der Schraubkappe in jedem Regler leicht nachrüstbar. Der Regler mit der Flachmembran war in einem schweren, massiven Gehäuse untergebracht, was aber nicht störte, da zwischen den beide Flaschen genügend Raum war. Ohne Ausatemproblem konnte er nur mit der VGM genutzt werden (Einschlauch), da am Regler kein Ausatemventil vorgesehen war. Die Version mit dem Ausatemventil am Mundstück, wie auf dem Schwimmbad-Foto links, dürfte durch die starke Lageabhängigkeit nicht angenehm gewesen sein. Aber wie Cousteau einmal gesagt haben soll: „Atmen muss nicht leicht sein, es wird befohlen.“ Die Version des GC42/47 mit einem Pendel-Faltenschlauch mit Mundstück (allerdings mit Faltenbalg statt Flachmenbran) zeigt das Bild rechts oben. Das Ausatemventil liegt nahe beim regelnden Faltenbalg. Nach dem Krieg waren neue Tauchgeräte knapp, und für anstrengende UW-Arbeiten ersetzte man den einschränkenden Pendelschlauch mit VGM durch zwei Schläuche mit Mundstück, wie später allgemein üblich. Dazu musste man nur den Schlauchport wie in der Skizze rechts umgestalten (Regler mit Faltenbalg). Die bekannte französische Taucharbeitsgruppe Galerne verwendete bis in die 1950er Jahre modifizierte GC47 mit Flachmembran-Regler von der Feuerwehr mit einem Entenschnabel-Ventil am Ende des zusätzlich angebrachten Ausatemschlauchs im Gehäuse, Bild rechts. Es ist wohl müßig, darüber zu streiten, wer nun den Tauchregler erfunden hat, Emile, René oder Victor. Aber diese Analyse der R. Commeinhes-Geräte GC42/47 zeigt, welche exponierte Stellung sie in der Genesis haben. Der frühe Tod ihres Entwicklers einerseits, die Kapitalmacht und Marketingstärke der Konkurrenz andererseits, haben dazu geführt, dass ihre Rolle heute kaum noch geachtet wird. Quellen: [Com1] Commeinhes, G., Pat. fr0976590, 1942, GC42 mit Faltenbalg t1p.de/lih3 [Com2] Commeinhes, G., Pat. ch230369,1942, u.a. Brücke mit Rückschlagventilen, Pendelatmer o. VGM t1p.de/acsv [Com3] Commeinhes, G., Pat. fr0989153, 1944, Regler Flachmembran mit Kompensation t1p.de/cu1e [Com4] Commeinhes, G., Pat. fr0989164, 1944, Flaschenanschluss t1p.de/mxdt [Com5] Commeinhes, G., Manuel GC42 t1p.de/9kf2 [Com6] Commeinhes, Katalog Atemschutz, 196x, franz & eng t1p.de/stch [Roc] Rockwell, K., SCUBA WORKSHOP PROJECT ELEVEN- G.C. 42 AMPHIBIAN Georges Commeinhes Scuba, HIST. DIVER Vol. 13, Issue 3, Number 44, S. 44, 2005, t1p.de/lv5z [Rou1] Rousseau, Ph.,, Georges Commeinhes: A Very Discreet Pioneer, HIST. DIVER Vol.13, Issue 3, No. 44, t1p.de/zxtg [Sev1] Seveke, L., George Commeinhes - zu früh vergessen! TH 09, 2018, S. 24-32 t1p.de/y2kl [Will] Williams, Des, Die ORCO-Vollgesichtsmaske, TH 09, 2018, t1p.de/yfjt