Der polnische Zweischlauch-Regler Kaiman R-7 Von Dr.-Ing. Lothar Seveke In einem Land wie Polen mit seiner langen Ostsee-Küste, bedeutenden Binnengewässern mit vielen Wasserbauwerken, dem starken Hafenwesen und Schiffbau und der eigenen Marine ist das Tauchen immer bedeutungsvoll gewesen. Die Aufräumungsarbeiten und der Wiederaufbau nach den gigantischen Zerstörungen durch den II. Weltkrieg erfolgten wie in der DDR zunächst mit Überresten der schweren Taucherei aus der Vorkriegs- und Kriegszeit. Der europäischen Entwicklung folgend entstand aber auch Bedarf nach Gerätetechnik für das Schwimmtauchen, erst im professionellen Bereich, dann auch schnell im militärischen und sogar im Freizeitbereich. Ebenfalls wie in der DDR und der CSR standen aber kaum Devisen zur Verfügung, um auf dem internationalen Markt einzukaufen, zumal diese Technik auch dem Embargo in Folge des Kalten Krieges unterlag. Bild: Erster (mir bekannter) Pressluft-Regler NEPTUN von 1957 In den Feinmechanische Werkstätten Danzig (Zak?ady Mechaniki Precyzyjnej Gda?sk, abgekürzt Z.M.PREC. GDANSK oder ZMP, t1p.de/atr1 ) wurde deshalb 1956 als Kernstück eines 2-Flaschen-Leichttauchgerätes zuerst der Zweischlauch-Regler NEPTUN entwickelt (von Jan Hiszpanski und Marian Grimm). Das war ein ziemlich naher CG45-Nachbau, also ein zweistufiger Regler mit membrangesteuerter, nicht balancierter erster Stufe (upstream) und einfacher zweiter Stufe (downstream), noch ohne Richtungsventile im Mundstück und mit einem französischen INT-Anschluss für 150-bar-Flaschen. Patentverletzungen spielten wegen des nicht geplanten Exports und des Eisernen Vorhangs zu Westeuropa zu dieser Zeit keine Rolle. Vom NEPTUN wurden von 1957 bis 1959 etwa 1.500 Stück hergestellt [Wac]. Bild: MORS als Nachfolger des NEPTUN von 1960 Dieser Regler wurde von Jan Hiszpanski in den ZMP weiterentwickelt. Er erhielt einen DIN-Anschluss, unterschied sich sonst aber kaum von seinem Vorgänger und wurde von 1960 bis 1968 zu mehr als 2.000 Stück unter dem Namen MORS (Walross) produziert. Forderungen nach verbessertem Atemverhalten führten dann 1968 zur Entwicklung eines komplett anderen Reglers, einstufig und mit Injektor, des KAIMAN. Der Regler wurde von Leszek Suchy entwickelt und von 1969 bis 1978 hergestellt. Lech Suchy verließ 1972 Polen und lebt heute in den USA [Joh]. Bild: Zweischlauch-Regler Kaiman,Foto: D. Surani Der Kaiman ist ein einstufiger Regler wie der Mistral von La Spirotechnique, unterscheidet sich ab wesentlich von diesem, da er eine einstellbare Venturi-Düse und einen DIN-Anschluss hat. Das Ventil öffnet mit dem Druck (down stream), das vom Mistral gegen den Druck (up stream). Ein weiterer Unterschied ist die Balancierung des einstufigen Reglers, wie sie Gagnan 1965 für den Royal Mistral von USD eingeführt hatte, allerdings in anderer Weise, s.u. (Ob diese Verfahren "Balancierung" oder "Kompensation" heißen, soll hier nicht ausgestritten werden, siehe [Sch], [Sev1]). Es handelt sich also durchaus um eine eigenständige Entwicklung, die natürlich vom technischen Stand beeinflusst wurde, aber innovative Elemente enthielt, was auch durch das dazu erteilte Patent bestätigt wurde [Such]. Das Gehäuse bietet keine Besonderheiten, es ist relativ formschön gelungen. Die Oberfläche ist verchromt, es sind verschiedene Ausführungen bekannt, von hochglänzend über matt bis zu satiniert. Die satinierte Ausführung soll für den militärischen Einsatz kennzeichnend gewesen sein. Der DIN-Anschluss ist sehr kurz, was für einen dichten Sitz am Rücken des Tauchers günstig ist. Wie bei vielen europäischen Zweischlauchreglern werden Unter- und Oberschale durch einen schnell zu schließenden Spannring zusammengehalten, dessen Schraube man nach der Wartung verplomben konnte. Ein Anschluss für ein Hochdruck-Manometer ist nicht vorgesehen. Am zugehörigen PTG P-22 konnte eines an der Flaschenbrücke angeschraubt werden. Bild: Geöffneter Kaiman Das Entenschnabel-Ventil wird am Ausatemstutzen umgeschlagen und mit Sehne abgebunden, so dass man den Faltenschlauch entfernen kann, ohne immer das Ausatemventil zu verschieben. Innen wird es durch einen Metallbügel in der Oberschale am Umschlagen gehindert, was bei anderen Reglern auch nicht so üblich war. Bild: Regler-Korpus des Kaiman (Foto Dusan Surani) Das eigentlich Bemerkenswerte des Kaiman steckt in dem massiven Regler-Korpus, an dem auch die Höhe des Membranhebels verstellt werden kann. Das erste schematische Bild verdeutlicht das Innenleben des Korpus. Es zeigt zunächst, wie die Injektordüse einstellbar gemacht ist. Bei weit heraus gedrehtem Injektorrohr entweicht ein Großteil der ausströmenden Luft durch ein Bypass-Loch, das nicht auf den Einatemstutzen gerichtet ist. Die Injektorwirkung ist so gering. Je weiter man das Rohr hinein schraubt, desto mehr wird der Bypass verschlossen, und der Injektor wirkt immer stärker, bis schließlich die Hauptmembran unten gehalten wird und der Automal abbläst. In dieser Spanne kann man also die Injektorwirkung einstellen. Bild: Prinzipdarstellung der Arbeitsweise des Kaiman Die Bilder zeigen die Balancierung des Ventilkolbens des Kaiman, die für einstufige Regler relativ ungewöhnlich war [sev2],[sev3,], für die ersten und zweiten Stufen heutiger Einschlauchregler aber nahezu normal ist. Bild: Realitätsnahe Darstellung des balancierten Ventils des Kaiman Der Ventilkolben wird beidseitig mit dem Ausgangsdruck des Ventils beauflagt und ist damit quasi im Gleichgewicht. Abfallender Eingangsdruck durch geringer werdenden Flaschendruck wirkt sich also nicht (so stark) auf den Ausgangsdruck aus. Gagnan hat das für das up-stream-Ventil des USD-Royal-Mistral etwas anders aber mit ähnlicher Wirkung gelöst. Balancierung im einstufigen USD-Royal-Mistral von 1965 [sev2] Das Ventil ist durch diese Teile natürlich etwas komplizierter und aufwändiger aufgebaut, wie das Foto des demontierten Innenlebens des Kaiman zeigt. Bild:Einzelteile des einstufigen balancierten Ventils des Kaiman (Foto: Dusan Surani) Der Hochdruck-Anschluss des Kaiman ist sehr einfach aufgebaut und entsprechend leicht demontierbar. Die Teilenummern sind die aus der weiter unten gezeigten Teileliste. Der Aufbau lässt vermuten, dass auch ein INT-Anschluss vorgesehen war, mir ist ein solcher aber nicht bekannt. Bild: Hochdruck-Anschluss des Kaiman Ein weiteres Highlight des Kaiman ist sein Mundstück, das über relativ kurze Faltenschläuche mit beidseitigen 25-mm-Stutzen mit dem Regler verbunden wird, wie international üblich Einatemstutzen am Regler von vorn gesehen auf 10 Uhr (und nicht wie beim MEDI-Hydromaten auf 2 Uhr). Bild: Unteres Foto Dusan Surani Dieses Mundstück vereint die Vorteile des schon sehr guten Royal-Mistral-Mundstücks von La Spirotechnique mit intelligenten Überlegungen zur optimalen Nutzung des Reglers. Wie beim RM ist das Mittelteil aus sehr widerstandsfähigem Hartgummi mit eingelassenem radial versetzten Bissstück, wodurch sich gute Trageeigenschaften ergeben (kurzer Hebel im Mund, freier Zugriff zur Nase). Die Richtungsventile liegen sehr weit innen (geringer Totraum). Aber besser als am RM-Mundstück werden die Schlauchstutzen mit Gewinderingen befestigt, was einerseits die einfache Öffnung der Schläuche für die Trocknung ermöglicht und andererseits eine schnelle Ausrichtung der Schläuche für angenehmes Tragen zulässt. Ich halte dieses Mundstück so für eines der besten, das je für Zweischlauchregler entwickelt wurde. Zu dem Regler wurde das 2x8-l-Pressluft-Tauchgerät P-22 entwickelt. Die 150-bar-Flaschen haben keine eigenen Ventile, die Verbindung erfolgt über eine Brücke mit einem zentralen abstellbaren DIN-Abgang, wo der Regler eingeschraubt wird. In einen Flaschenabgang ist eine Reserveschaltung mit Zugstange eingebaut, am anderen ein Manometer mit Schlauch angeschlossen. Das ganze Paket ist dadurch sehr kompakt und ohne "Widerhaken", die in Höhlen, Wracks o.ä. stören könnten. Eine Rückenschale und die Bebänderung sind gleich am Flaschenpaket, typisch für den Einsatz ohne die heute üblichen Jackets. Zwischen den Flaschen konnten Auftriebskörper befestigt werden, um den Abtrieb zu verringern. Das Komplettgerät wurde in einer soliden Holzkiste geliefert und gelagert. Wie viele Regler und PTG hergestellt wurden, ist mir nicht bekannt. Mir ist ein solches Teil aber in den 70-er Jahren in der DDR nicht begegnet und man konnte es m. M. nach in der VR Polen auch nicht frei kaufen, im Gegensatz zu AVM und Ukraina in der Sowjetunion. Es ist also im nichtprofessionellen Bereich wohl sehr selten gewesen, auch seltener als der Hydromat in der DDR. Wie in der CSSR und in der DDR hat es aber auch in Polen eine aktive Eigenbauszene gegeben, wie in [wac] gezeigt wird. Da der Kaiman ein unverwüstlicher Regler mit sehr guten Atemeigenschaften in seiner Klasse ist, spricht nichts dagegen, ihn auch heute noch, von Sachkundigen gut gewartet, zum Liebhaber-Zweischlauch-Tauchen einzusetzen. Ich habe beispielsweise ohne jegliche Probleme einen Malediven-Bootsurlaub mit ihm verbracht. Seine Restaurierung und Wartung sind in [joh] gut erläutert. Alle Verschleißteile, Membrane, 0-Ringe, Ausatem- und Mundstückventile, Faltenschläuche,… sind durch verfügbare, für andere Regler nachgefertigte Teile ersetzbar. Zur Unterstützung soll die nachfolgende Explosionszeichnung mit Teileliste dienen, in der auch die 0-Ring-Maße angegeben sind. Ein kleines Problem kann die Dichtung im Ventilkolben darstellen, wenn sie verschlissen ist. Man kann sie durch einen Nylon- oder Teflon-Ring ersetzen, den man finden oder sich anfertigen muss ;-) Um den Zweischlauchregler ohne Konflikte mit dem jeweiligen Tauchgangsverantwortlichen einzusetzen, muss man ihn mit einem modernen Zweitregler kombinieren oder mit anderen Ergänzungen ausstatten, die ihn sicher in die heutige Technikumgebung integrieren, siehe t1p.de/dn06 Bild:Explosionszeichnung und Teileliste des Kaiman R7 (vergrößertes Bild unter t1p.de/5feq ) Quellen: [joh] Johnson, Peter, The KAJMAN DOUBLE HOSE Regulator - Cleaning & Restoration t1p.de/uxua [jor] Jorgensen, Sven Erik, Der Olrik-Regler, TauchHistorie 2018/10, S. 53 t1p.de/u5bx [sch] Scheyer, Werner, Atemregler - Aufbau und Funktion (PPT), www.vit-2000.de [sev1] Seveke, Lothar, Regler-Chines., t1p.de/2vsq [sev2] Seveke, Lothar, CG45 und Mistral, Teil 2, TauchHistorie 2016/05, S. 18 t1p.de/gqth [such] Suchy, Leszek, Zawór redukcyjny sterowany plucami do powictrznych aparatów oddechowych (Druckregelventil für Atemschutzgeräte), Pat. P120914, 3.6.1967 t1p.de/rpxx [wac] Wachowski, Wieslaw, Polish vintage scuba regulators, Vortrag KTT 2011 Neustadt, Archiv HTG t1p.de/rjt0 Zusatzinformationen unter t1p.de/h9ue