TauchHistorie 15 06/2021 Copyright by TauchHistorie 2020 Theodore Guillaumets Versuche mit seinem bedarfsgesteuerten Atemregler Von Michael Jung Bedarfsgesteuerte Atemregler sind zentraler Bestandteil der meisten heutigen Tauchgeräte. Deshalb ist ihr Entwicklungsweg für uns besonders interessant. Wie der Autor nun herausfand, wurden bereits 1839 von dem Franzosen Theodore Guillaumet Versuchstauchgänge mit so einem Atemregler durchgeführt. Nachdem John Bevan vor einigen Jahren auf ein englisches Patent von 1838 gestoßen war, in dem der Patentanwalt William Edward Newton die Konstruktion eines bedarfsgesteuerten Atemreglers „im Auftrag eines Ausländers“ schützen ließ, war klar, dass die Geschichte des Atemreglers bereits viel früher als bislang angenommen begonnen hat [1]. Einen wichtigen Beitrag lieferten dann Joe und Sally Bauer, welche das Ursprungspatent fanden und damit den „Ausländer“ identifizieren konnten [2]. Es handelte sich dabei um den Franzosen Theodore Guillaumet, der schon unter seinem Namen in Frankreich ein Patent angemeldet hatte. Der Vergleich beider Patente führte zu dem Schluss, dass sie auf einen gemeinsamen Urheber zurückgehen, und zwar auf Guillaumet. Er hatte seine Erfindung zunächst in Frankreich schützen lassen, und dann auch in England mit Hilfe von Newton. Schließlich war es Peter Dick, der uns mit der Nachricht überraschte, dass bereits zehn Jahre vor Theodore Guillaumet, also 1827, der Franzose Jean-Jéremie Pouilliot ein autonomes Tauchgerät mit bedarfsgesteuertem Atemregler erfand und patentieren ließ [3]. Damit war die Zeitline für die Erfindung des bedarfsgesteuerten Atemreglers bis auf 1827 zurückgeschoben worden. Obwohl wir also nun von zwei frühen Erfindungen wissen, war bislang nicht bekannt, ob die Geräte von Guillaumet oder Pouilliot auch wirklich gebaut und getestet wurden. Bislang galten die beiden Franzosen Benoit Rouquayrol und Auguste Denayrouze (sieh Artikel in diesem Heft) als die ersten Erbauer eines bedarfsgesteuerten Atemreglers für Tauchgeräte. Jetzt kann aber zumindest für das Gerät von Guillaumet sicher nachgewiesen werden, dass es wirklich gebaut wurde, denn es befindet sich in den Berichten der französischen Académie des Sciences ein Sitzungsprotokoll von der Sitzung vom Montag, den 16. September 1839, in dem über Guillaumets Tauchgänge berichtet wird [4]. Aus ihm entnehmen wir, dass die Akademie ihre Mitglieder Savart, de Freycinet, Savary und Coriolis beauftragt hat, ihr über das Tauchgerät von Doktor Guillaumet Bericht zu erstatten. Der Bericht beginnt mit einigen allgemeinen Angaben: „Der Erfinder hat sich zur Aufgabe gemacht, dem Taucher frische Luft zuzuführen, deren Druck genau demjenigen entspricht, dem seine Brust in der jeweiligen Tiefe ausgesetzt ist. Die Vorrichtung gestattet überdies dem Taucher große Bewegungsfreiheit, denn er hat nur ein Rohr im Mund und einen kleinen Behälter am Rücken. Die Vorrichtungen, welche bisher erdacht worden sind, um den Arbeitern den Aufenthalt unter dem Wasser längere Zeit möglich zu machen, haben diesen Bedingungen nur sehr unzureichend entsprochen. So atmet man z.B. in der Taucherglocke zwar Luft unter Umgebungsdruck, man atmet aber keine vollkommen frische und reine Luft ein; und man kann, wenn man sich ihrer bedient, auch nicht mit der erforderlichen Leichtigkeit an allen Punkten des Kieles eines Schiffes arbeiten. In den Vorrichtungen, in denen man wie z.B. bei der des Herrn Paulin, nur durch ein Glas sieht, und wo der Kopf in einem engen Helme eingeschlossen ist, setzt sich an das Glas Dunst an, so dass man nicht mehr klar sieht. Auch ist die einzuatmende Luft nicht ganz rein [5].“ Es folgen nun Erläuterungen über die genaue Funktionsweise und den Aufbau des Reglers: „Die Hauptidee des Herrn Guillaumet besteht darin, dem Taucher eine Luft zuzuführen, welche, ehe sie in seinen Mund gelangt, in ein kleines Behältnis geführt wurde, worin sich mittels eines Regulierventils ihr Druck vollkommen jenem gleich erhält, den dieses Behältnis äußerlich von Seite der Flüssigkeit erleidet. Eine Druckpumpe, welche ein Mann vom Ufer des Wassers oder auch von einem Schiffe aus sehr leicht handhaben kann, komprimiert die Luft in einem Behältnis bis zu einem Druck, welcher größer ist als jener, der der Tiefe, bis zu welcher sich der Taucher hinabbegeben muss, entspricht. Die Luft dieses ersten Behältnisses strömt durch eine mit Kautschuk wasserdicht gemachte textile (geflochtene) Röhre in ein kleineres Reguliergefäß, welches der Taucher am Rücken trägt. Von hier aus gelangt die Luft, die nun den zur Respiration geeigneten Druck hat, zum Munde, indem sie durch ein Klappenventil dringt, welches sich beim Einatmen öffnet, und die Luft in eine Röhre, deren abgeplattetes Ende der Taucher zwischen den Lippen hält, einströmen lässt. Beim Ausatmen bleibt besagtes Ventil geschlossen, und es öffnet sich dafür ein anderes, welches sich am Eingang einer zur Austreibung der ausgeatmeten Luft bestimmten Röhre befindet. Die Röhre, welche in den Mund führt, mündet in eine kleine Kammer mit zwei Öffnungen ein, von denen jede mittels dieser Ventile verschlossen ist. Die vom äußeren Behältnisse herbeigelangende Luft, welche stets einen höheren Grad von Druck hat, als der ist, den sie in diesem Regulator annehmen soll, gelangt durch ein Schiebeventil, welches sich nur dann öffnet, wenn der Druck schwächer wird, als der der äußeren Flüssigkeit, und das sich sogleich schließt, sobald das Gleichgewicht wieder hergestellt ist, in den Regulator. Das Behältnis hat zu diesem Zwecke einen mittels einer Blasenhaut beweglichen Deckel. Dieser wird durch eine Feder in einem für eine mittlere Stellung stabilen Gleichgewicht erhalten, so dass er sich nicht einsenken kann, ausgenommen, der Druck des Wassers bekommt das Übergewicht über jenen der inneren Luft. Indem der Deckel einsinkt, sinkt dadurch auch das Röhrenende, welches in einem anderen fixen, am Grund des Behältnisses befindlichen Zylinder spielt, durch den die komprimierte Luft einströmt. Der unten verschlossene bewegliche Zylinder lässt die Luft nur durch die in seinem Umfange befindlichen Seitenlöcher entweichen. Diese Löcher werden von dem fixen Zylinder bedeckt, wenn der Deckel nicht nachgegeben hat, und die Luft nicht eindringen soll; sie werden aber frei und lassen Luft herein, wenn, nachdem der Druck im Behältnisse durch das Atmen des Tauchers vermindert wurde, der Deckel sich in Folge des äußeren Druckes ein klein wenig gesenkt hat.“ Interessant sind zwei weitere Textpassagen. In der ersten geht es darum, dass die Konstruktion von Guillaumets Regler nach Ansicht der Kommission auf die Gaslicht-Regler zurückgeht: „Der kleine, am Rücken des Tauchers befindliche Behälter vollbringt die Regulierung des Luftdrucks mit Hilfe einer Vorrichtung, welche den zur Regulierung des Gasausflusses bei der Gasbeleuchtung erfundenen Apparaten ähnlich ist.“ Wie man weiterhin entnehmen kann, arbeitete der Regler von Guillaumet sehr genau: „Wir kennen keine ganz genauen Versuche über die Schwierigkeiten, welche das Atmen einer, vom Umgebungsdruck verschiedenen Luft verursacht. Nach der Messung des größten Druckes, den man durch das Blasen der Blasinstrumente hervorbringt, scheint es, dass er kaum größer sein darf als der Druck einer 0,60 Meter hohen Wassersäule. Ein solcher Druckunterschied besteht nicht in der Vorrichtung des Herrn Guillaumet. Versuche, welche in Gegenwart der Kommission gemacht wurden, haben erwiesen, dass das Atmen immer sehr leicht geht, und dass sich die Luft in dem Regulator ständig auf einem Druck befindet, der sehr wenig von jenem auf der Brust abweicht. Dies selbst dann, wenn die äußere Pumpe eine Kompression von zwei Atmosphären hervorbringt.“ Zur Erhöhung des Atemkomforts bei verschiedenen Positionen des Tauchers unter Wasser hatte sich Guillaumet einen besonderen Trick einfallen lassen: „Damit der Taucher auch leicht atmen kann, wenn er sich nach vorwärts neigt, oder rückwärts krümmt, d.h. wenn seine Brust tiefer oder höher ist als sein Regulator, hat Herr Guillaumet ein Bleigewicht an der Membrane befestigt. Dieses Gewicht ist fast neutral, wenn der Taucher sich in aufrechter Stellung befindet; wenn er sich aber vorwärts beugt, so komprimiert es die Luft des Regulators zusätzlich, so dass sie denselben Druck erleidet, wie die Brust. Das Gegenteil findet statt, wenn der Taucher sich rückwärts neigt; denn dann erleidet die Brust, die nun höher ist, einen Druck, der etwas schwächer ist, als der der Flüssigkeit, die auf den Deckel des Regulators wirkt. Man muss also dessen Druck etwas verringern; und dies bewirkt hier die Entlastung durch das Gewicht.“ Dieser Hinweis ist auch insofern interessant für uns, als wir nun erkennen, dass Guillaumet den Regler in der von Newton patentierten Version mit dem Membrangewicht baute und testete. Damit ist die Zugehörigkeit des Newton-Patentes zu Guillaumet eindeutig festgestellt. Außerdem lässt sich vermuten, dass es sich bei dem Newton-Patent um eine weiterentwickelte und verbesserte Konstruktion des französischen Patentes handelte. Man wusste damals auch schon sehr genau, welchen Vorteil der Atemregler auch für den Helfer an der Oberfläche bot: „Einen weiteren Vorzug, welche die Vorrichtung des Herrn Guillaumet vor allen anderen hat, besteht darin, dass man einen Fehler dadurch erkennt, wenn keine Blasen von ausgeatmeter Luft mehr zur Oberfläche des Wassers aufsteigen. In diesem Falle müsste man ihm zu Hilfe kommen.“ Außer dem Regler wurde von Guillaumet auch die zugehörige Rettungsweste (siehe Bild oben) gebaut und der Kommission vorgeführt: „Endlich ist auch noch einer anderen für die Sicherheit erforderlichen Bedingung genüge getan. Es ist nämlich dem Taucher möglich, sich selbst wieder an die Oberfläche des Wassers emporzubringen, und zwar mit Hilfe eines Auftriebskörpers aus wasserdichter Leinwand, welcher an seinem Körper befestigt ist. Durch eine Röhre und ein Ventil kann der Taucher ihn mit äußerer Luft aufblasen.“ Abschließend kommt die Kommission zu einem günstigen Urteil: „Mehrere Mitglieder der Kommission haben einem Versuch beigewohnt, bei dem ein Mann mit der Vorrichtung des Herrn Guillaumet 15 Minuten lang in einer Tiefe von ungefähr vier Meter in der Seine ausgehalten hat. Der Erfinder hatte auch schon im Hafen von Cherbourg einige Versuche angestellt. Es geht aus einem amtlich bestätigten Zeugnis, welches er der Kommission vorgelegt hat, hervor, dass ein Taucher 25 Minuten lang in einer Tiefe von 16 Metern aushielt. Es ist zu vermuten, dass die Kälte das einzige Hindernis für einen längeren Aufenthalt des Tauchers im Wasser sein wird. Selbst wenn man aber diese Zeitdauer auch nicht überschreiten könnte, so würde ein Arbeiter doch schon während dieser Zeit sehr viel ausrichten können. Eine Frage, die nur durch längere Anwendung dieser Vorrichtung beantwortet werden kann, ist die, ob die Leitungen und der Auftriebskörper auch längere Zeit hindurch wasserdicht bleiben werden. Weitere Versuche müssen demnach sowohl für die Dauerhaltbarkeit, als auch über die Leichtigkeit der Anwendung unter allen Umständen entscheiden. Dessen ungeachtet kann man sich aber jetzt schon guten Erfolg von der Konstruktion versprechen; besonders wenn es sich um Ausbesserung an den unteren Teilen der Schiffe handelt. Die Kommission erkennt demnach den Apparat des Hrn. Guillaumet als eine glückliche Erfindung an, welche sich sehr nützlich erweisen kann, und beantragt, dem Erfinder für seine Mitteilung zu danken und den Wunsch auszudrücken, dass der Marineminister ihm seinen ganzen Beistand leiste, und die Ergebnisse der Versuche, welche notwendig sind, um die Anwendung, deren diese Vorrichtung fähig ist, zu bemessen, festhalten lasse.“ Damit ist sicher, dass Guillaumet seine Erfindung nicht nur in Frankreich und England patentieren ließ, sondern auch baute und praktisch erprobte. Der Versuch, an welchem die Kommission der Académie des Sciences teilnahm, fand zwar im Sommer 1839 statt, aber möglicherweise führte Guillaumet seine ersten Tauchgänge bereits im Sommer 1838 oder früher durch, bevor er sein Patent in England anmeldete. Dabei könnte er erkannt haben, dass seine Konstruktion nach dem französischen Patent in Bezug auf die Kompensation von Lageänderungen des Tauchers noch unzureichend war. Er ersetzte daraufhin den konstanten Federdruck durch das Membrangewicht (siehe Illustration) und ließ dieses verbesserte Konstruktionsmerkmal etwas später in sein englisches Patent einfließen. Außerdem enthält es noch einige weitere Verbesserungen. Der Bericht der Académie des Sciences beschreibt den bislang ersten, bekannten Einsatz eines bedarfsgesteuerten Atemreglers. Damit nimmt Theodore Guillaumet eine besonders wichtige, herausragende Stellung in der Tauchgeschichte ein. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass sein Tauchgerät noch keine autonome Luftversorgung besaß, sondern mit einer Luftpumpe vom Ufer oder auch von einem Schiff aus mit komprimierter Luft versorgt werden musste, deren Druck höher war als der Umgebungsdruck des Wassers. Auch wenn wir nun mit Recht den 180-jährigen Geburtstag des bedarfsgesteuerten Atemreglers feiern können, sollten wir nicht vergessen: In den Kellerarchiven der Patentämter in Frankreich, England und Deutschland lagern noch viele unbearbeitete Akten, die noch manche weitere Überraschung bringen werden. Deshalb ist die Erforschung der frühen Jahre unseres bedarfsgesteuerten Atemreglers noch lange nicht abgeschlossen. Quellen und Anmerkungen: Kurzlinks in Adresszeile Ihres Browsers eintragen [1] Bevan, John: The first demand valve. Diver, London, Vol. 34/2, Febr. 1989, S. 36. Pat. br7.695, 1838, t1p.de/8hq5 [2] Bauer, J.A. und Bauer, S.E., The earliest inventor of the Demand Regulator, HDS Newsletter, Nr. 14, Dez.1995, S. 7-14, mit Pat. fr11.429, Guillaumet, 1838 und br7695, s.o., siehe auch DIVEMASTER-Magazin, 1/1996 t1p.de/neh9 [3] Dick, Peter: Was hat ein Teeverkäufer mit einem Taucher gemeinsam? DIVEMASTER, 4/1996, S. 57-60 [4] „Rapport sur une cloche à plongeur inventée par M. Guillaumet“, Comptes rendus des séances de l’Académie des sciences. Paris, Tome IX, 1839, No. 12, S. 363-366 [5] Der Pariser Feuerwehroberst Paulin erfand 1834 einen mit Druckluft gefüllten Schutzanzug zum Eindringen in brennende Häuser und Keller mit giftigen Gasen. Schon 1836 baute er ihn auch für den Unterwassereinsatz um. Siehe: Vandenbroeck: Réflexions sur l’Hygiène des mineurs. Mons, 1840. Die grundlegende Idee basierte auf dem Rauchhelm der Deane-Brüder zur Bekämpfung von Feuer in Schiffsräumen. [6] DiverNet: Pouilliots kolbengesteuerter pneumatischer Regler, t1p.de/d5pz [7] WikiPedia: Manuel Théodore Guillaumet, t1p.de/vrl9