Redaktion: Wir stellen hier auch gern mal Titel vor, die wir schon hatten, weil „Steter Tropfen höhlt den Stein!“ und Rezensenten sind auch nur Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen. Also bitte nicht wundern! Taucher-Lesebücher für den Lock down „TIEFENRAUSCH-Das fantastische Leben des Hannes Keller“ von Thomas Renggli Rezension: Falk Wieland Wahrscheinlich erinnern sich nur wenige Sporttaucher daran, dass die ersten Dekompressionstabellen für Tauchcomputer einst von Hannes Keller und Albert Bühlmann entwickelt wurden. Das Buch über Keller liest sich praktisch „wie im Tiefenrausch“, lässt das außergewöhnliche Leben eines besonderen Mannes beinahe wie die Biographie eines Rockstars vorbeirasen. Keller hat ein Leben zwischen Genie und Chaos gelebt, und Renggli hat diesem eine passende, sehr gut lesbare Form gegeben. Keller fing einst an zu tauchen, weil das neu, spektakulär und gefährlich schien, und weil er sich nach eigenem Bekunden am liebsten mit Dingen beschäftigte, von denen er (noch) keine Ahnung hatte. Keller taucht im Jahre 1962 mit der Tauchkapsel „Diogenes 62“ eintausend Fuß = 304,5 m tief. Dabei starben zwei Kameraden am Tiefenrausch, was Keller bis heute belastet. Die amerikanischen Medien nannten ihn seinerzeit „Hannes Killer“. Er entwickelte erste Tabellen fürs kommerzielle Tieftauchen und verkauft die Daten für einen zweistelligen Millionenbetrag an Shell Oil. Zugleich ist der Mann ein begnadeter Pianist. Nebenbei entwickelte er die ersten besonders eng anliegenden Tauchanzüge und nachfolgend professionelle Ganzkörperanzüge für den Rad- und Skisport. Es gibt wohl nicht viele Menschen, die locker wie Herr Keller sagen können: „Das Geld ist mir immer dann nachgerannt, wenn ich es nicht erwartet hätte“. Keller verdiente Millionen und gab sie für andere Projekte wieder aus. Keller hält es mit dem „Scheitern und Aufstehen“. Keller ging es wirtschaftlich gut. Er sagte einmal: „Ein Tiefseetaucher mit einem goldenen Rolls Royce ist interessanter als ein Tiefseetaucher ohne Rolls Royce. Ein Rolls Royce regt die Fantasie an“. Er sorgte stets gekonnt fürs Marketing zu seinen Ideen, und hatte natürlich einen goldenen Rolls Royce, denn unter Legendenbildung machte er es nicht. Hannes Keller empfand sich seit seiner Kindheit nicht im Wettbewerb mit anderen, doch seine Geistesgaben als Mathematiker und Programmierer ließen ihn dennoch ein Leben auf der Überholspur führen. Keller hat Sinn für große Späße. Er baute ein Seeungeheuer à la Nessie für den Vierwaldstätter See. Er erfand den genialen Pianisten Tartarov und hielt die ganze Züricher Kulturszene auf sein finanzielles Risiko zum Narren. Keller entwickelte gemeinsam mit dem 1994 verstorben Albert Bühlmann die ersten Dekotabellen für Sporttaucher und erzählt jedem, der zuhört, dass Bühlmann die Tabellen geklaut habe und sie Keller-Tabellen heißen müssten. Männer, aufgepasst: Hannes Keller-O-Ton: „Es gibt kaum eine bessere Art, um die Mädchen zu beindrucken als mit Tauchergeschichten“. Keller erfand vor Microsoft die ersten textbasierten Bedienoberflächen für Computer und feierte gemeinsam mit dem Unternehmer Theo Lieven wirtschaftliche Erfolge mit dem Computerunternehmen VOBIS. Keller war Taucher, Motorradfahrer, Flieger, Mathematiker, Computergenie, erfolgreich bei den Frauen und Pianist. Er flog zum 60. Geburtstag in Moskau eine Mig-27, wer traut sich mehr? Man fällt in Rengglis genial umgesetzte Keller-Biographie wie in einen reißenden Fluss, der erst ganz am Ende die rettende Sandbank bietet. Ein berauschendes Buch aus dem Schweizer Fona Verlag Lenzburg für knapp 30 €. Blicke in den Bücherschrank von Michael Müller „BLUE MIND - Wie Wasser uns glücklicher macht“ von Wallace J. Nichols. Rezension: Falk Wieland Dieses Buch war einer der von der New York Times gekürten Wissenschaftsbuch-Bestseller des Jahres 2014/2015 und liegt nun endlich in deutscher Übersetzung vor. Nach einem Geleitwort von Celine Cousteau erzählt uns der Autor, warum Menschen gern am Wasser sind, warum uns der Aufenthalt im und am Wasser glücklicher(er) macht. Nichols macht sich wissenschaftlich daran, zu erklären, wie Wasser sich für Körper, Gehirn und alle Sinne wirklich anfühlt. Er macht sich Gedanken zu den verschiedenen Wassersportarten inclusive des Tauchens und deren psychosomatische Auswirkungen. Nach Nichols fördert ein Aufenthalt am Wasser die geistige Gesundheit und heilt das Bewusstsein. Im Weiteren wird ein Beinahe-Beweis geführt, wie das Wasser als Muse beim Erkennen wirklicher ästhetischer Schönheit mitwirkt. Das Sachbuch pendelt zwischen eigenem Naturerleben, Fakten aus der Neurowissenschaft, Evolutionsbiologie, Medizin, Philosophie und sogar Literatur wie Melvilles „Moby Dick“ hin und her. Es ist ein anspruchsvolles Sachbuch zwischen individuellem Erleben und wissenschaftlichen Fakten. Es macht Freude, zu lesen, zu verstehen, nachzudenken. Ein ganz klein wenig erinnert das Buch auch an den Delphinforscher John C. Lilly, aber 39 Seiten Anmerkungen und weitgehend naturwissenschaftliche Literaturverweise lassen keinen Zweifel am Anspruch des Werkes. Dieses Buch rasend schnell durchzulesen ist eher unwahrscheinlich. Ein Buch, das uns mit rotem, grauem und blauem Bewusstsein bekannt macht und (ebenso wie die Flow-Bücher des Mihaly Csikszentmihalyi) noch lange nachwirkt, ein Buch aus dem Hirzel Verlag Stuttgart für 25 Euro. Die Autorin beschreibt in ihrem reich illustrierten Buch 120 Badeplätze im Tessin. Es handelt sich um zauberhafte Orte, an denen wohl jeder gerne verweilen würde. Da gibt es glasklare Bäche und kleine Flüsse, zauberhafte Bergseen und vor allem die Gumpen oder Tosbecken unterhalb von Wasserfällen. Wunderbar geschliffene Felsen wechseln sich ab mit kleinen Sandstränden oder der Gischt stiebender Wasserfälle, und all das wird vom durchsichtigen Gebirgswasser des Tessin beherrscht. Mitunter perlt, rauscht, springt, glitzert das türkisfarbene Wasser durch Galerien von verschieden hoch angeordneten Felsbecken oder durch Felstäler in enger Klamm-Form. Das Auftreten von Feen und Berggeistern im silbernen Wassernebel würde nicht verwundern. Das Buch beschreibt in 12 Kapiteln all diese bezaubernden Wasser-Orte nördlich des Lago Maggiore bis um den Luganer See. Von einigen Wasserfall-Oberbecken genießt man einen weiten Ausblick in die Berglandschaft. Die Autorin hat sich auf Plätze konzentriert, die jeweils mit einer kleinen Wanderung von „der letzten Bushaltestelle“ oder einem legalen Parkplatz aus für jeden durchschnittlich sportlichen Menschen zu erreichen sind. Alle diese Orte haben einen besonderen Genius loci und bieten großartige Landschafts-Ansichten. Die Plätze am und im Wasser sind natürlich oft nur bei Niedrigwasser zu erreichen, viele von ihnen mutieren während der Schneeschmelze und bei Hochwasser im Gebirge zu gefährlichen, dramatisch anzusehenden Plätzen. Die Autorin beschreibt alle Orte als praktikabel erreichbare Badeplätze. Als Taucher und UW-Fotograf kann man sich gut vorstellen, einige dieser klaren Felsbecken im Gebirge mit Schnorchelanzug, Tauchermaske und Kamera im Rucksack zu erwandern, denn die lauschigen Orte dürften sich durchweg als wunderbare Fotostudios für aquatische Landschaftsaufnahmen eignen. Wiewohl das wunderbare Buch eindeutig nicht als Schnorchel- oder Tauchführer konzipiert ist, kann man es auch als solches lesen und auf Grund der akkuraten Beschreibungen entscheiden, an welchen Ort man per Gebirgstrecking wieviel Ausrüstung transportieren würde. Gerätetaucher dürfen sich die Wasserplätze der Iwona Eberle durchweg so einzigartig wie die medial bekannten Plätze der (ebenfalls im Buch enthaltenen) Verzasca vorstellen. Ein ganz wunderbares 272-Seiten-Wasserbuch aus dem Salamander Verlag Zürich, das in Deutschland 36,90 Euro kostet.