Was Sie über den Carmagnolle-Tauchanzug wissen sollten Von Yves Clercin, Kanada Übersetzung aus dem Französischen Dr. Lothar Seveke Anmerkung der Redaktion: Der sog. Carmagnolle-Anzug ist einer der ältesten, besterhaltenen und wohl auch erprobten Panzertauchanzüge, zeitnah mit dem Marseille-Anzug entstanden, über den unser Autor in der TauchHistorie 14 berichtet hat. Er war der erste wirklich anthropomorphe Anzug [Ho]. Der Helm hat eine besondere Gestalt. Er ist mit 25 einzelnen gläsernen Rundfenstern mit einem Durchmesser von 50 mm ausgestattet, die im durchschnittlichen Abstand der menschlichen Augen angeordnet sind. Die Gelenke bestehen aus Kugelsegmenten, die eng aneinander liegen und mit Manschetten aus wasserdichtem Stoff verbunden sind, die an beiden Teilen des Gelenks befestigt und so gefaltet sind, dass sie beim Bewegen des Gelenks auf sich selbst gleiten können. Der Anzug verfügte über 22 dieser drehbaren Gelenke; vier in jedem Bein, sechs pro Arm und zwei im Körper. Über einen zusätzlichen Verschluss an der Oberseite des Helms kann man den Anzug an der Oberfläche belüften. Der Anzug ist 380 kg schwer. Der Carmagnolle-Anzug ist im Nationalen Marinemuseum in Paris ausgestellt und wird dort den beiden Erfindern Alphonse und Theodore Carmagnolle zugeordnet. Unser Autor ist der Meinung, dass der Vater der beiden Brüder, Baptistin oder Jean Baptist Carmagnolle (1825 -1889), der eigentliche Erfinder des Anzugs ist, dem seine Söhne das Patent gestohlen haben. Es war im September 2005, anlässlich des hundertsten Todestages von Jules Verne, und der Carmagnolle-Anzug war dort in sitzender Position, mit seiner imposanten Statur bereit, die Fragen der Besucher zu beantworten. Seit 160 Jahren werden die Brüder Alphonse und Theodore Carmagnolle als Erfinder des Tauchanzugs bezeichnet. Als ich nach dem/den wirklichen Erfinder(n) suchte, fand ich die beiden Brüder in den maritimen Archiven nie erwähnt und das aus gutem Grund, sie hatten nie etwas Nennenswertes auf maritimem Gebiet getan. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Archive ich durchsucht habe, um ein adäquates Ereignis zu finden, bei dem die Brüder Carmagnolle beteiligt waren. Aber wer war denn nun Erfinder bzw. Hersteller dieser mittelalterlich aussehenden Panzermaschine? Begeben wir uns in die Stadt, in der der Tauchanzug seinen Ursprung hat, in den Südosten Frankreichs, nach Marseille. Sie ist schon seit der Zeit der Phokäer (Flüchtlinge aus der griechischen Stadt Phokaia) bekannt als griechische Kolonie, die 600 Jahre vor Christus an diesem Teil des Mittelmeers entstand. In der römischen Ära nahm die Stadt den Namen Massilia an und wurde im Laufe der Jahrhunderte zu einem wichtigen Handelsknotenpunkt. Das Jahrhundert um 1800 war sehr fruchtbar für die Erfindung von Tauchgeräten. Wir haben bei den Recherchen mehr als tausend neue Tauchgeräte gefunden. England, Holland, Schweden, Frankreich, Spanien, Deutschland und die Vereinigten Staaten machten sich daran, neue Maschinen zu entwickeln, die alle das gleiche Ziel verfolgten: möglichst tief zu tauchen, um Waren zu bergen, die in Seekriegen oder durch Stürme versenkt wurden. Das Überschreiten der Tiefe von dreißig Metern wurde zum wichtigsten Ziel aller Länder. Die Industrielle Revolution führte zur Herstellung neuer Materialien, bis schließlich der in Deutschland erfundene Hartschalenanzug eingeführt wurde. Es ist um 1864, dass unsere Geschichte beginnt, in einer Werkstatt, wo man Metall bearbeitete. Die Schmiede war den ganzen Tag von Arbeit erfüllt, so dass sich am Ende des Tages Maschinenteile an den Wänden aufreihten, Aufträge, die von verschiedenen Reedern des Hafens von Marseille gekommen waren. Am 9. März 1864 meldeten Hercule Poisant und Baptistin Carmagnolle, Marseille, das 15-Jahres-Patent 1BB62403 an. Sie arbeiteten an verschiedenen Verbindungen für Rohre und andere Maschinenteile, die zur Aufnahme von Flüssigkeiten oder Dampf unter hohem Druck bestimmt waren. An Arbeit mangelte es nicht, man musste produzieren, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Die Werkstatt, die Taverne und die 188 Zeitungen, die von 1781 bis 1944 im Raum Marseille erschienen, waren die Stellen, wo über Neuigkeiten aus dem Hafen berichtet und diskutiert wurde. Durch diese Zeitungen erfuhren die Bürger von Marseille, dass Joseph-Marin Cabirol, ein Hersteller von Gummiprodukten, 1860 einen Tauchanzug und eine Maske herstellte, die dem von Siebe aus England sehr ähnlich waren. Die Kaiserliche Marine übernahm seine Ausrüstung. Die Verwalter des Hafens von Marseille hatten immer Pläne, den Hafenbereich zu erweitern, und die wenigen Taucher, die zur Verfügung standen, waren nie knapp an Arbeit. 1865, Unterwasserarbeiten sind stark gefragt, Benoit Auguste Denayrouze gründet zwei Gesellschaften, eine für Rouquayrol-Denayrouze-Tauchgeräte, die andere mit dem Namen Société Française de Pêche aux Éponges (Franz. Ges. für das Schwammtauchen) für das östliche Mittelmeer. Mit der Erfindung des Schweineschnauzen-Helms, von Hochdruckbehältern, des bedarfsgesteuerten Atemreglers und des Tauchens unter einer Glocke bei Umgebungsdruck gab es viele Innovationen. Carmagnolle verstand es, in dem im Hafen kursierenden Klatsch und Tratsch zu erkennen, was den Reedern fehlte, ein leistungsfähigerer Taucheranzug, mit dem man tiefer als 40 m tauchen konnte. Neben den Unterwasser-Bauarbeiten ging es um wertvolle Wracks. Stürme wirbelten die Schiffe umher und viele Waren gingen über Bord. Ein Patent, Nummer FR72764, wurde Carmagnolle am 01.09.1866 erteilt und auf den Namen Baptistin Carmagnolle (Vater) und Pierre Bonaventure Berlandier eingetragen, für einen starren Taucheranzug mit Gelenken, auch bekannt als gepanzertes Tauchgerät unter Oberflächendruck (1-bar-Anzug), aufgeführt im Katalog der Patente für das Jahr 1866. Das war der Prototyp für den Panzertauchanzug, der schließlich von seinem Enkel 1904 patentiert wurde, verbessert durch die Nutzung der inzwischen weiterentwickelten Technologien. Unsere beiden Erfinder wurden Schiffseigner und hatten 1869 ihr erstes Wrack zu bergen, ein Schiff, das in der Nähe der Einfahrt des Hafens von Cette (seit 1928 zu Sète) gesunken war. Es wird nicht erklärt, warum die beiden diesen Auftrag bekamen, nicht ausgeschlossen, dass sie das billigste Angebot für die Bergung gemacht hatten. Sie brauchen etwas mehr als eine Stunde mit dem Boot, um über das Wrack zu gelangen. Die Gassinois sank 2 Meilen vor dem Hafen südlich des Leuchtturms von Cette und hatte 2,60 m Wasser über dem Fockmast. Sie mussten dazu mit zwei anderen Schiffseignern zusammenarbeiten, Vaissière und Vidal, die ihnen nur Probleme brachten. Im Jahr 1870 reichten die beiden eine Klage gegen Carmagnolle wegen zweier Tauchanzüge ein, die das Wrack der Gassinois mit einer Ladung von Eisenbahnschienen an Bord betauchen sollten. Es wurde bewiesen, dass die beiden Anzüge von Carmagnolle angemietet und auf ein Schiff gebracht worden waren. Im Jahr 1873 wurde der Fall abgeschlossen und auch, wenn die Dokumente es nicht erzählen, kann man davon ausgehen, dass die Gassinois von ihrer Ladung befreit und dann von der Einfahrt zum Hafen von Cette entfernt wurde. Zwei Jahre später wurde am 21. Oktober 1873 an Carmagnolle ein Patent erteilt, das aber nur das Patent FR1BB72764 von 1866 verlängerte. Es betrifft also einen Tauchapparat, genannt scaphandre, mit Luftzirkulation in allen Teilen und metallischer Panzerung, der es erlaubte, in große Tiefen abzutauchen. Sie haben bemerkt, dass die beiden Brüder Carmagnolle, Alphonse und Theodore, nie erwähnt werden. Am 20. Januar 1878 erhielten Baptistin Carmagnolle und Berlandier ein 15-Jahres-Patent für Verbesserungen an Tauchanzügen. Die Mitteilung erschien im Bulletin des Lois 1879. Wir befinden uns im Jahr 1882, ein Teil des Patents der Gebrüder Carmagnolle wird Ihnen hier auf Bildern gezeigt, es ist durch die Geschichte gegangen. Seit 140 Jahren heißt es, sie seien die Erfinder des Carmagnolle-Tauchanzugs. Aber es gibt keine Aufzeichnungen über eine professionelle Arbeit der beiden Brüder in dieser Zeit. Es ist anzunehmen, dass ihr Vater Baptistin Carmagnolle sie gebeten hatte, die Ausarbeitung des Patents zu übernehmen, das am 20. Dezember 1882 eingereicht wurde. Am Nachmittag desselben Tages reichte Baptistin Carmagnolle eine mündliche Beschwerde über die Autoren ein, die behaupteten, Erfinder des Anzugs zu sein. Der wahre Erfinder, Jean Baptiste Carmagnolle (geb. 1825), wohnte zuletzt in Marseille und starb am 16. Dezember 1889 im Alter von 64 Jahren. Aber sein Anzug wurde weiter entwickelt und schließlich ein Prototyp gebaut. War der Anzug wasserdicht? Wurde er real erprobt? Ich entdeckte alle Antworten in der Revue des Revues, vom 15. November 1895, Seite 449 bis 455, und in der Zeitung Le Bon Citoyen de Tarare et du Rhône vom 23. Dezember 1900, die den Test des Vakuumtauchanzugs von William Augustus Gorman veröffentlichte: 1880 wurde also der große Unterwasserforschungs- und Sondierungsunternehmer Mr. Gorman von einem Franzosen namens Carmagnolle aufgesucht, der ihm triumphierend mitteilte, dass er eine neue Art von Tauchanzug erfunden habe, mit dem ein Taucher in Tiefen von 100 m und mehr arbeiten könne. William Gorman beschloss, sofort, mit dieser Erfindung zu experimentieren, die aus einem Kleidungsstück aus Stahlsegmenten bestand, die miteinander verbunden und wie eine Hummerschale beweglich waren. Der Anzug wurde von einem berühmten Pariser Waffenschmied, Gastine-Renette, angefertigt und kostete in zwölf Monaten 600 Pfund Sterling oder 15.000 alte Francs. Sobald er fertig war, charterte Gorman in Marseille ein Spezialschiff und segelte mit einem Taucher weit aufs Meer hinaus. Der Taucher enttäuschte jedoch alle Pläne, denn im letzten Moment weigerte er sich, das Gerät zu testen, mit der Begründung, er habe Frau und Kinder zu ernähren. Gorman wollte jedoch nicht, dass dieses kostspielige Experiment völlig erfolglos blieb, und beschloss, den Apparat ohne Besatzung zu testen. Also wurde er auf 100 m abgesenkt. Nach einer Viertelstunde wurde er wieder an Bord gebracht, und man stellte nicht ohne Erstaunen fest, dass der Apparat trotz des enormen Drucks nicht einen Tropfen Wasser eingelassen hatte. Die Beschreibung des Taucheranzugs kann nachgelesen werden in: Beschreibungen von Maschinen und Verfahren, 1882, Band XLIV, Marine und Navigation, Seite 30-31. Um die Geschichte des Carmagnolle-Tauchanzugs abzuschließen, wäre es nur fair, auf dem Etikett des Carmagnolle-Anzugs im neuen Marinemuseum in Paris den wahren Erfinder des Anzugs, über den Sie gerade gelesen haben, zu nennen und den Namen des Forschers und der Organisation, für die er geforscht hat, Québec Subaquatique, zu erwähnen. Viele ehrenamtliche Forscher auf allen Kontinenten unserer Erde arbeiten im Schatten der Museen, und sie werden nie so gewürdigt, wie es ihnen gebührt. Patente zum Tauchanzug Carmagnolle FR1BB62403 09.03.1864 Baptistin Carmagnolle, Hercule Poisant, gepanzerter Anzug mit Luftzirkulation, FR1BB72764 01.09.1866 Baptistin Carmagnolle, Pierre Bonaventure Berlandier,"Kürassentauchanzug" x 21.10.1873 Baptistin Carmagnolle, Velängerung der Laufzeit von FR1BB72764 x 20.01.1878 Baptistin Carmagnolle, Pierre Bonaventure Berlandier Verbesserung an Tauchanzügen, Bulletin des Lois 1879, S. 636 FR152761 20.12.1882 Théodore und Alphonse Carmagnolle (Söhne), Einspruch Vater Baptistin FR339030 10.09.1903/18.10.1904 Alphonse Carmagnolle (gen. Karl, Enkel von Baptistin), t1p.de/5u0e Referenzen: [Fa] Fabre, Augustin, Geschichte von Marseille, Band 1, Paris 1829 [Gi] Gilbert, JEAN, www.pieds-lourds.com [Ho] Hoggett, R., EARLY UNDERWATER MANIPULATORS AND ROBOTS, cyberneticzoo.com t1p.de/j1ofm [Mi] Mirn, Michael, 3-D-Modell des Anzugs, t1p.de/avzpi Slide-show, t1p.de/0ivz