Die DM200- und DM220-Tauchsysteme von Dräger Von Ulf Barthel Vorwort In den letzten Jahren wurde ich oft gefragt, was eigentlich der Unterschied zwischen DM200 und DM220 Helmtauchgeräten sei, weshalb zwei doch fast identische Tauchgeräte auf dem Markt existierten, warum und in welchen Bereichen damit getaucht wurde, welches Modell für den Sammler das interessantere, wertvollere wäre usw. Alle diese wiederkehrenden Fragen konnte ich im März dieses Jahres in einem „DM200/DM220 Workshop“ der HTG in Berlin klären und erläutern. Damit nicht nur den Seminarteilnehmern dieses Wissen vorbehalten bleibt, habe ich beschlossen, aus Text und Bildern meiner dortigen Präsentation den folgenden Beitrag zu erarbeiten und damit der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die folgenden Darlegungen beziehen sich nicht nur auf die Taucherhelme, sondern auf die jeweilige gesamte, komplexe Ausrüstung, darum wird hier im Terminus auch oftmals von einem System gesprochen. 1. Notwendigkeit und erste Ideen zum DM200-Tief-Tauchsystem Ab Anfang der 60-er Jahre gab es weltweit immer größere Bemühungen mit modernen Tauchgeräten große Wassertiefen zu erreichen. Die Erforschung des Off-shore Bereiches galt als Vorstufe zu kommender Ressourcengewinnung. Wie immer bei solchen Projekten waren es neben geologischen, biologischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen auch die vielschichtigen Interessen des Militärs, zukünftig tiefe Gewässerbereiche für strategische Zwecke zu erkunden und zu erschließen. Die Möglichkeiten der Bergung von in große Tiefen gesunkenen U-Booten und anderer High-Tec-Industrie- und Kriegsgeräte, war ebenfalls ein wichtiger Antriebsfaktor für diese Forschungen. Technik und Wissenschaft führten schon in den 60-er Jahren in verschiedenen Staaten zu theoretischen Überlegungen, technischen Entwicklungen und praktischen Human-Tauchversuchen bis in Tiefen von über 200 m. Helium als Atemgaszusatz für den Taucher hatte schon Ende der 1940-er Jahre bahnbrechende Weichen dafür gestellt. Ohne auf weitere Details dieser Projekte einzugehen, kann festgestellt werden, dass sich in dieser Zeit zwei grundlegende Richtungen im professionellen Tauchbereich manifestierten. Auf der einen Seite der Taucher, der von der Oberfläche aus abtaucht und nach getaner Arbeit ganz normal, mit kurzen Dekostopps auftaucht. Auf der anderen Seite das Sättigungstauchen, bei dem der Taucher, der aus einer UW-Station oder Taucherglocke aussteigt, sehr lange und/oder in sehr großen Tiefen zubringt und darum beim Austauchen Dekompressionspausen von vielen Stunden einlegen muss. Auch bei den Drägerwerke Lübeck beschäftigte man sich intensiv in Theorie und Praxis mit dieser Materie. Unser Vereins-Ehrenmitglied Ing. Gerhard Haux war dort damals einer der verantwortlichen Hauptakteure für dieses Gebiet. Er beschreibt, in seinem 1969 erschienenem Buch „Tauchtechnik I“ wunderbar die Ziele, die es in dieser Zeit zu erreichen galt, welche technischen Voraussetzungen, Tauchanlagen, Druckkammern, Taucherglocken, Gasgemische, Tauchprozedere und Dekompressionsmodelle dafür entwickelt, gebaut und eingesetzt wurden. Die Drägerwerke mit der großen Erfahrung im Bau von Tauchgeräten und im Besonderen dem Bau von Helmtauchgeräten, die mit Kreislaufgeräten kombiniert werden konnten (Pioniertauchgerät, DM20, DM30 und DM40), planten daher natürlich auch konsequent den Einsatz von Helmtaucher-Ausrüstungen für solche modernen Anforderungen. Richtungsweisend dafür waren drei sehr klare Hauptanforderungen: • Möglichkeit einer vollkommenen Autonomie, • geringer Gasverbrauch unter Betrachtung der Betriebskosten, • größtmögliche Betriebssicherheit der Geräte. In ersten Projektstudien sollten Helmtaucher, die aus der Glocke in großen Tiefen ausstiegen, von dort über einen Schlauch mit einem entsprechenden Mischgas versorgt werden. Für den Fall einer Havarie trug der Taucher auf dem Rücken ein Kreislaufgerät mit Atemgasreserve. Gasgemisch- und Volumen darin waren so berechnet, dass er damit problemlos in die Glocke zurückkehren konnte. Eingesetzt werden sollte dieses Gerät bis 200 m. Darum bekam es auch die Bezeichnung DM200. Das war konsequent an die Bezeichnung der frühen anderen Dräger-Helmtauchgeräte, die mit eigenständigem Atemgasvorrat versorgt wurden, angelehnt (DM20 : 20 m, DM30: 30 m, DM40: 40m Tauchtiefe). Bei diesen ersten Systemen sollte das Atemgas aus einem getrennte Vorrat von Sauerstoff und Helium durch eine ausgeklügelte Automatik entsprechend der Tauchtiefe gemischt werden. Der Prozess des Gasmischens funktionierte ausgezeichnet. Bei den für die Sicherheit unabdingbaren Warneinrichtungen konnte zur damaligen Zeit jedoch kein 100%ige Sicherheit garantiert werden. Das war der Grund, warum man dieses Projekt aufgab. Man setzte danach nur noch auf Kreislaufgeräte mit halboffenem Kreislauf (SM-I u. FGG III). Diese hatten zudem den Vorzug der autonomen Verwendbarkeit, d.h. der Taucher konnte sich freier, ohne hindernde Schlauchverbindung zu Glocke oder UW-Station bewegen [Q2]. In den dbzgl. Grafiken in Haux „Tauchtechnik I“ sind bereits 1969 nur noch Schwimmtaucher mit FGG III Kreislaufgeräten abgebildet. Dieser zeitliche Versatz ist jedoch ein Indiz dafür, wie lange bestimmte Prozesse dauern, wie langwierig Forschung, Entwicklung und Erprobung dauern, wie zeitraubend es ist, theoretische Visionen in sichere, praxistaugliche technische Lösungen umzuwandeln. Hierbei sind dann immer wieder neue Entwicklungs-und Lösungsansätze verfolgt worden. Die für diese Entwicklungsstufen angefertigten Planungen, Konstruktionszeichnungen und Prototypen spezieller Helmtauchgeräte, sollten sich jedoch kurze Zeit später als sehr nützlich erweisen. 2. Vorstufen und Prototypen der DM200-Helmtauchgeräte Bei Dräger wird man spätestens ab Mitte der 60-er Jahre gemerkt haben, dass der Zenit am Verkaufshimmel ihrer altbewährten Kupferhelm-Taucherausrüstungen überschritten war. Durch die Fokussierung auf den immer größer werdenden Markt der Sporttaucher entstanden neue Hersteller für Tauchgeräte, was den Marktdruck erhöhte. Neue, preisgünstige Leichttauchgeräte, Trockentauchanzüge (Konstantvolumen) und vor allem ein sich veränderndes Anforderungsprofil für verschiedene Schwimmtaucher-Arbeiten, ließen den Bedarf an schweren Helmtauchgeräten drastisch sinken. In einer Analyse [Q3] wurden als Vorteile der modernen Leichttauchtechnik erkannt: • größere Beweglichkeit unter Wasser, • Arbeiten im Schwebezustand, • Schwimmen und Über-Kopf-Abtauchen, • keine Gefährdung durch Tauchersturz, • schnelle Einsatzfähigkeit, • geringer Material- und Personaleinsatz, • niedrige Anschaffungskosten, • gute Kommunikationsmöglichkeit. Das waren die Parameter, auf deren Grundlage bei Dräger ein neues, möglichst universelles Helmtauchgerät entwickelt werden musste, ein Gerät, welches in hohen Stückzahlen in Deutschland und auch international verkauft werden sollte. Grundlagen für die folgenden Entwicklungen waren unter anderem alle bisherigen Projektstudien zum DM200-Helmtauchgerät [Bild01]. 1971 wurde der Öffentlichkeit [Q1] zum erstmals ein Prototyp einer DM200-„Flachwasser-Tauchausrüstung“ offeriert [Bild01]. Schaut man sich die Ausrüstung genauer an, erkennt man schnell, dass diese damals ein absolutes Novum gewesen sein muss. Nichts ist mehr vom kultigen, kugelförmigen Dräger-Kupferhelm übriggeblieben. Taucherhelm und Schulterstück bestehen aus kunstharzverstärktem Glasfiber. Beide Teile sind durch einen Schnellverschluss miteinander verbunden. Der Helm hat vorne eine eckige, seitlich aufklappbare Scheibe, eine Firstöse ist nicht vorhanden, das Ablassventil ist weit nach vorn gezogen worden. Der Taucher trägt nicht den bekannten dicken, voluminösen, rotbraunen Köperstoff-Tauchanzug, sondern einen hauteng anliegenden Neopren-Nasstauchanzug. Ein kleines, flaches Gewicht ist nun Ersatz für das schwere Brustgewicht mit den zwei Reserveluftflaschen. Ein dünner Atemluftschlauch hat den sperrigen, dicken unhandlichen Schlauch ersetzt. Gar nichts erinnert hier mehr an die althergebrachte Dräger-Helmtaucherausrüstung. Man sieht auf dem Bild, dass, der Taucher ein Kreislaufgerät auf dem Rücken trägt. Nach Informationen des Entwicklers und Konstrukteurs Hr. Ing. R. Holst [Q2], ist man beim Bau dieser DM200-Kreislaufgeräte jedoch niemals über den Bau von Prototypen hinausgekommen. Im Technischen Archiv der Drägerwerke befindet sich noch ein Prototyp-Gehäuse mit ein paar Fragmenten solch eines Kreislaufgerätes [Bild02]. Bild02: Prototyp eines DM200-Kreislaufgerätes Auch dieses ist mit DM200 bezeichnet. Für den harten Praxiseinsatz eines Berufstauchers in den kalten europäischen Gewässern war diese Ausrüstung nicht verwendungsfähig. Die auf dem Foto dargestellte Ausrüstung ist als reiner Prototyp nur zu Testzwecken eingesetzt worden. Bild03: DM200 Prototyp, Foto: Dekker, David www.HDiBank.com Bild03 zeigt einen weiteren DM200-Prototypen. Dieser Helm befand sich einmal in meinem Besitz. Ich weiß noch, wie erstaunt und verärgert ich war, als ich nach dem Kauf sah, dass man am Schulterstück die Schrauben für die Andrucksegmente „demontiert“ hatte. Ich bemerkte aber schnell, dass dies original war, so sein sollte. Da wurde ich stutzig und sah mir den Helm genauer an. Als ich dann im Schnellverschluss des Schulterstücks einen dünnen flachen Edelstahl-Ring, der mit 12 kleinen Edelstahlschrauben befestigt war und an dem Reste einer Latex-Manschette anhafteten, entdeckte, wurde mir schnell klar, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Dieser Helm, ein Prototyp, konnte tatsächlich mittels einer Halsmanschette mit Nasstauchanzug getaucht werden. Er benötigte darum keine Andrucksegmente, um ihn mit einem Anzug zu verbinden. Genau so muss auch der Helm in Bild02 funktioniert haben. Randnotiz des Autors: Führende skandinavische Tauchmediziner meldeten jedoch seinerzeit Bedenken und Risiken an, welche durch das Tauchen mit den damaligen engen und harten Halsmanschetten auftreten könnten. Die Kurz- und Langzeitfolgen, die durch das Abdrücken der blutführenden Gefäße und der damit verbundenen Sauerstoff-Unterversorgung im Gehirn beim Tieftauchen bzw. Tauchgängen mit extremer Atembelastung auftreten können, wurden als extremes Gefährdungspotential eingestuft. Die Drägerwerke haben daraufhin sämtliche dbzgl. Entwicklungen eingestellt. Zusätzlich wurde bei diesem Helm schon ein zusätzliches Oberlicht (Stirnfenster) eingebaut. [Q2] bestätigt, dass dieser Helm der erste Prototyp einer folgenden Generation Taucherhelme war. Weitere Prototypen sind bekannt. So findet man im Lübecker Archiv unter anderem einen DM200-Prototypen mit Gewindeanschluss für einen frontalen Reserveflaschen-Anschluss. Bild04: Schemata der DM200/1 und DM200/2, Dräger Prospekt 2020 3. Das Helmtauchgerät DM200/1 Das seit 1973 gebaute Helmtauchgerät Modell DM200/1 wurde im April 1974 für den Verkauf freigegeben [Bild04 links]. Bei diesem System fallen sofort folgende revolutionäre Veränderungen zur alten Kupferhelm-Ausrüstung auf. Der gelbe Kunststoff-Helm und das Schulterstück bestehen aus glasfaserverstärktem Polyesterharz. Beide sind durch eine Schnellkupplung miteinander verbunden. Das federbelastete Luftauslassventil befindet sich auf der rechten Seite des Helms und ist sehr weit nach vorne versetzt. Die Verbindung des Schulterstücks mit dem Anzug erfolgt jetzt über 4 Segmente, die durch 12 Flügelmuttern den Anzugkragen dicht mit dem Schulterstück verpressen. Der Taucherhelm hat eine seitlich aufklappbare Frontscheibe und ein vergittertes Stirnfenster. Um sich möglichst viele Optionen offen zu halten, wurden die DM200-Helme mit je einem Anschluss für Luftschlauch und Telefon und zwei Anschlüssen mit großem Innendurchmesser für einen Kreislaufgeräte-Anschluss ausgeliefert. Bild05: DM200/1 Taucherhelm m. Brust- u. Rückengewicht Der primäre Luftanschluss wurde jedoch über den linken Kreislaufgeräte-Anschluss vorgenommen. Die Luftversorgung des offenen Systems erfolgte über ein Handregulierventil, welches deutsche Taucher bisher nur von den amerikanischen Mark V oder den englischen Siebe-Gorman-Helmen kannten. Das Gewicht des neuen Taucherhelms + Schulterstück ist so bemessen, dass die komplette Helmeinheit im Wasser gewichtsneutral ist. Dieses hohe Gewicht wurde u.a. dadurch erreicht, dass die Metallteile alle aus schwerem, salzwasserbeständigem Edelstahlfeinguss gefertigt wurden. Ein relativ kleines Brustgewicht (2,8 kg) ist vorn auf das Bruststück geschraubt, ein Rückengewicht (5,4 kg) kann an der Rückseite in Halteblöcke eingesetzt werden. Durch diese Gewichte und ggf. weitere zusätzliche Dräger-Klemmbleie wird der variable Auftrieb (Anzugvolumen, Gewicht des Tauchers, Unterbekleidung usw.) ausgeglichen. Mit dieser Tauchausrüstung und zusätzlichen Flossen ist es dem Taucher möglich zu schwimmen. Bei Verwendung von Tauchersandalen oder den schweren Taucherschuhen, kann der Taucher jedoch mit sicherem Stand auf festem Grund arbeiten. Die Tauchsicherheit wurde durch zwei, eigentlich simple Konstruktionsänderungen gegenüber den alten 3-Bolzen-Kupferhelmen wesentlich erhöht. Eine Änderung war die Reduzierung des Helmvolumens um 50%. Gegenüber dem bisherigen Dräger-Kupferhelm konnte die zulässige Absturztiefe dadurch verdoppelt werden. Die andere sehr interessante Veränderung betraf das Luftauslassventil. Statt des Konusdichtung-Prinzips der Kupferhelme, wurde in das neue Ventil eine verstärkte Gummimembrane eingesetzt. Das hatte den Vorteil, dass bei Druckausgleich zwischen Helminnenraum und dem umgebenden Wasser bei angelüftetem Ventil (wenn z.B. der Kopf eines ohnmächtigen Tauchers gegen die Innentaste des Ventils drückt) kein Wasser eindringen kann und der Anzug dadurch komplett vollläuft [Q2]. Da dieses Gerät keinen Reserve-Luftvorrat vorhält, war die Einsatztiefe auf 15 m begrenzt. Wohl aus Sicherheitsgründen, wurde die Ausrüstung darum bestimmt auch nur mit einem 20-m-Schlauch ausgeliefert. Die Luftversorgung wurde an der Oberfläche über einen „Labor“ Druckminderer von Dräger sichergestellt. In frühen Arbeitsunterlagen wurde ein Versorgungsdruck von 5 bar, in späteren mit 7 bar angegeben. Die Konstantdosierung von min. 40 l/min konnte der Taucher jedoch über das Handregulierventil entsprechend seiner Arbeitsleistung (und damit Luftverbrauch) verändern. Bei diesem DM200/1-Tauchsystem fällt jedoch auf, dass der Taucherhelm über kein Rückschlagventil verfügt. Diese notwendigen Ventile befanden sich jedoch im Haupt-Luftschlauch und im Anschlussschlauch (Hauptatemschlauch/Handregulierventil). Im Ernstfall bedeutet das, dass bei einer Schlauchbeschädigung im Bereich vom Handregulierventil bis Helmeingang sofort alle Luft aus dem Helm entweichen könnte. Eine Halbierung des Helmvolumens, die geringe Arbeitstiefe, die wesentlich bessere Qualität der Schläuche, eine neue Methode des Verpressens der Schlauchkupplungen sowie die spezifische Schlauchführung des Helmschlauchs haben dieses Risiko jedoch stark reduziert. Wenn es tatsächlich zu diesem Fall gekommen wäre, würde außerdem die Luft auch immer nur bis zum Punkt der Leckage aus dem System entweichen können. In der Praxis würde also bei senkrechter (!) Position des Tauchers eine Luftblase im Helm verbleiben. Das DM200/1-Tauchsystem ist auf Grund seiner technischen Beschaffenheit definitv als schlauchgestütztes Helmtauchgerät für den Flachwasserbereich ausgelegt. Den hohen Anforderungen eines Helmtauchgeräts für Schwimmtaucher wurde es aber nur teilweise gerecht. An der Außenseite der Beine des Taucheranzuges sind auf Höhe der Waden extra Laschen angearbeitet, in welche die bewährten Dräger 1,0-kg- oder 2,0-kg-Klemmbleie eingehängt werden konnten. Da in einem offenem Atemsystem wie beim DM200/1 jedoch in regelmäßigen Abständen Luft aus dem Helm entweicht, war das Erreichen einer fast waagerechte Schwimmlage, bei der der Kopf immer die höchste Stelle sein muss, sehr gewöhnungsbedürftig. Auf der anderen Seite gab es natürlich einen tatsächlich höheren Bedarf und damit Forderungen nach einem Helmtauchgerät für größere Tauchtiefen und anspruchsvolle, professionelle Taucherarbeiten. Bei Behörden und vielen Tauchbetrieben wurde darum gerade das Fehlen eines Reserveluftvorrats moniert. Diese Forderung wurde im Besonderen durch die damals für Taucherarbeiten zuständige Tiefbau-Berufsgenossenschaft (TBG) vehement vorgetragen. Aus diesem Grund wurde relativ zeitnahe ein weiteres, neues Helmtauchsystem vorgestellt. 4. Das Helmtauchgerät DM200/2 Dieser neue Gerätetyp, der zu sehr großen Teilen auf dem DM200/1 beruht, hat zwei zusätzliche entscheidende technische Vorrichtungen, die es erlauben, damit bis auf 50 m Wassertiefe zu tauchen. Diese sind der zusätzliche Taucherautomat und das Reserveluftgerät. [Bild04 rechts] Der Taucherautomat, der statt des Brustgewichts vorn auf das Schulterstück montiert wird, stellt ein absolutes Novum für Dräger-Helmtauchgeräte dar. Landseitig wird der Taucher permanent mit einem Vordruck von 18 bar aus dem bekannten „Labor“-Druckminderer versorgt. Durch den Taucherautomaten kann der Taucher jetzt auch selbständig die notwendige Luftmenge einstellen. In Handrad-stellung 6 liefert der Automat z.B. 100 (+/-15) l/min. Viel wichtiger aber ist der große Vorteil, dass dieser Automat bei einem Taucherabsturz sofort automatisch nachregelt. Dadurch wird sofort eine größere Luftmenge „nachgeschossen“ und somit Unfälle verhindert. Damit wurde ein erstklassiges, direktes Sicherheitsmittel geschaffen. Bild06: Taucherautomat Die Vorschriften der TBG verlangten zu dieser Zeit für Taucherarbeiten einen Reserve-Luftvorrat von 800 bar/l. Diese Reserve wurde beim DM200/2 durch ein 2x2,0-l-Doppelgerät (bei 200 bar Fülldruck 800 bar/l), welches dem Taucher an der Rückseite des Schulterstücks eingehängt werden kann, garantiert. Um ein Bedienen dieser Reserve zu ermöglichen, wurde das Handregulierventil des DM200/1 durch ein Umschaltventil ersetzt. Bei ganz frühen DM200/2 wurde ein pneumatisches Ventil verwendet. Dieses wurde schnell durch ein Ventil mit mechanischer Umschaltung ersetzt. Als sicherheitsrelevante Verbesserung wurde später zur Absicherung gegen unbeabsichtigtes Öffnen ein zusätzlichen Schutzbügel mit Blattfeder eingeführt. Bild07: Umschaltventil und Umschaltventil mit Schutzbügel (geöffnet) Eine weitere Forderung der TBG bestand darin, dass man den Verschluss der Klappfensterverriegelung mit einer zusätzlichen Sicherung versah. Es bestand nämlich die Möglichkeit, dass sich das Handrad des Fensterriegels gerade beim Ab- oder Auftauchen am Grundtau oder anderen Leinen einklemmte oder hängenblieb, sich dann eventuell drehte und somit ein ungewolltes Öffnen des Frontfensters unter Wasser möglich war. In praktischen Versuchen habe ich das mal ausprobiert und muss der TBG Recht geben. Als Lösung wurde die Fensterriegelsicherung nachträglich mit einem „Sperrstift mit Griffring“ ausgestattet. Bild08: Sperrstift, hier mit Schnur statt Griffring Durch diesen Sperrstift konnte das Frontfenster nun zuverlässig gesichert werden. Der Taucherautomat und das Reserveluftgerät beim DM200/2 ersetzen das Gewicht von Brust- und Rückengewicht des DM200/1. Am 17. August 1976 bestätigte die TBG nach diversen Tests dem Drägerwerk, dass ihr DM200/2-Gerät den „zur Zeit gültigen Vorschriften entspricht“ …. “Gegenüber dem Standard-Helmtauchgerät wurde durch Verkleinerung des Helmvolumens die Gefährdung durch einen Absturz verringert, durch Vergrößerung der Reserveluftmenge die Notversorgung des Tauchers bei Unfall über einen längeren Zeitraum erreicht und damit insgesamt die Sicherheit für den Taucher erhöht werden“. Warum in diesem Schreiben der Taucherautomat nicht erwähnt wurde, kann nicht mehr nachvollzogen werden [Q4]. Bild09: DM200/2 Taucherhelm mit Taucherautomat Mit diesem Ritterschlag des DM200/2 war aber auch klar, dass das DM200/1 nun in Deutschland nicht mehr verkauft werden konnte. Das einfache, flachwassertaugliche Gerät ohne Luftreserve konnte fortan nur noch dort verkauft werden, wo keine strengen Berufsgenossenschaften kontrollierten – im Ausland. 5. Der große Dräger-Baukasten Wenn man sich die Dräger-Kataloge und Preislisten von 1974 bis Ende der 70-er Jahre anschaut, erkennt man, unter welchem Zugzwang und in welchem Umbruch sich die Berufstaucherei, ihre Tauchtechnik und damit auch die Drägerwerke befanden. Zeitgleich mit dem Erscheinen der Helmtauchgeräte DM200/1 und DM200/2 setzte man in den Drägerwerken auf schlauchversorgte Leicht-Tauchgeräte für Berufstaucher. Hierbei stechen besonders zwei Ausrüstungen hervor: PL70 und PL68. Bild10: Schema der leichten Schlauchtauchgeräte PL68 und PL70, Drägerwerke AG Das PL68 war ein einfaches, robustes Gerät ohne Reserveluftvorrat für Flachwassereinsätze. Das PL70 verfügt über die von der TBG geforderte 800-bar/l-Reserveluftmenge und ist damit für tiefere, anspruchsvolle Tauchgänge geeignet. Diese über die Geräte bestimmte Einsatztiefe ist uns ja nun schon durch die DM200/1- und DM200/2-Geräte bekannt. Interessant wird es, wenn man erkennt, wie vielseitig einzelne Module der Geräte untereinander kombinierbar sind. Das 2x4-l-Reserve-Flaschenpack des PL70 passt genau in die DM200/2-Rückenschale. Luftzuführungsschläuche, Umschaltventile, Labor-Druckminderer, Filter, Manometer, Telefonanlagen, Karabinerhaken, die kurzen Anschlussschläuche und andere Teile sind untereinander austauschbar. Der PA38-Druckminderer der PL70- und PL68-Geräte ist nahezu identisch mit dem Druckminderer des DM200/2 (einzig die Federkammer wurde dort verlängert). Das ist ein interessantes Baukastensystem, das viele Vorteile hatte. Mit dem automatischen bzw. dem späteren mechanischen Umschaltventil entsprach das PL70 den Vorschriften der TBG. Das PL68 hingegen verkam mangels entsprechender Luftreserve wieder zur Bedeutungslosigkeit, zumindest in Deutschland. Die Entwicklung dieser vier verschiedenen Geräte zeigt jedoch, mit welcher Kraft und vehementen Interesse die Drägerwerke in der damaligen Zeit ihren Nimbus, der deutsche Hersteller von Tauchtechnik für Berufstaucher zu sein, wahren wollten. Die Ausrichtung auf schlauchgestützte Leichttauchgeräte PL68, PL70 und die Helmtauchgeräte DM200/1 und DM200/2 lässt aber auch erahnen, dass in dieser Zeit nicht wirklich klar erkennbar war, in welche Richtung sich die Tauchtechnik für das professionelle Tauchen bewegte und man sich daher alle Optionen offenließ. Die Idee durch modulare Bauweise verschiedene Tauchsysteme zu bestücken, hatte neben betriebswirtschaftlichen auch andere Vorteile in der praktischen Anwendung der Geräte. Es ist eigentlich schade, dass sich diese Idee nicht so recht durchgesetzt hat. 6. Notwendige Änderungen und Weiterentwicklungen Von 1974 bis 1978 wurden an den beiden DM200 einige wesentliche Verbesserungen gemacht. Diese beruhten in erster Linie auf den praktischen Erfahrungen, die bis dahin mit diesen Geräten gesammelt wurden. • Gummiprofil der Frontfenster-Dichtung wurde verstärkt. • Um das Fenster bei Nichtgebrauch leicht offen zu halten (Entlastung der Gummimanschette), wurde eine Nut in den Fensterrahmen eingearbeitet [Bild12]. • Druckdorn der Fensterriegelsicherung wurde statt aus Messing aus Edelstahl gefertigt. • Störendes Pendeln des offenen Fensters durch eine federbelastete Kugelraste behoben. • zusätzliche Fenster-Verriegelungsicherung (Sperrstift mit Griffring (lt. TBG)), • Schutzbügel mit Arretierungsfeder für das Umschaltventil (lt. TBG), • neue, verstärkte Gummimembran im Auslassventil, • Profil der Schulterstück-Segmente geändert, • Änderungen an Anzugmaterial, Stiefel und Armmanschetten, • Rückschlagventile im Anschlussschlauch und Handumschaltventil, • Verstärkung Membrane Luftauslassventil [Q5] Bild12: Frontfenster DM200 links ohne, rechts mit Nut Probleme gab es allerdings oft mit den Tauchertelefonen UT300. Bild13: Helm-Prototyp, zeitlich zwischen DM200 und DM220 Außerdem beklagten viele Anwender das Fehlen einer Firstöse im praktischen Tauchbetrieb. In dieser Zeit wurden in den Drägerwerken kontinuierlich Veränderungen und Verbesserungen, vor allem an den Taucherhelmen vorgenommen. Bild13 zeigt einen DM200-Helm-Prototyp, bei dem schon zwei interessante Abänderungen zu sehen sind. Das Auslassventil ist jetzt weit nach hinten versetzt worden. Warum dieser Versatz? Liegt oder schwimmt der Taucher horizontal, sammelt sich die Luftblase auf dem Rücken im Anzug und im Bereich des Hinterkopfs im Helm. Die Luft wird immer nur bis zur max. Höhe des Ablassventils entweichen können. Durch die nach hinten verlagerte Ausgangsöffnung (nachgemessen ergibt sich ein Höhenunterschied von 16,5 cm), wird dieser Punkt in waagerechter Position des Tauchers so verändert, dass deutlich mehr Luft aus Helm und Anzug entweichen kann. Die Möglichkeit der Tarierung des schwimmenden oder in liegender Position arbeitenden Tauchers wird damit also erheblich verbessert. Die neue Verriegelung des Frontfensters bei diesem Helm erfolgt frontal (Sicherungsstift nicht mehr notwendig). 7. DM220/1 und DM220/2 Bis 1978 hatten sich dann so viele kleine und größere Änderungen an den DM200-Geräten ergeben, dass man eine neue Typenserie auf den Markt brachte. Bild23: Luftversorgung beim Standard-DM220/2 Das neue Tauchgerätesystem DM220 wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Auch diese Generation wurde wieder in zwei Varianten, DM220/1 und DM220/2 unterteilt. Bild14: Schemata des DM220/1 und des DM220/2 Grundsätzlich sind Arbeitsweise und Funktion, die Komponenten der zwei unterschiedlichen Systeme und ihre Einsatztiefe gleichgeblieben. Folgende neue, qualitative Veränderungen sind nun jedoch eingebracht worden: Der Taucherhelm hat äußerlich die prägnanteste Unterscheidung zu seinen Vorgängermodellen erhalten. Er verfügt jetzt über eine Firstöse. Das Helm-Ablassventil ist, wie schon im vorgehenden Kapitel beschrieben, nach hinten versetzt worden, die Fensterverriegelung erfolgt nun generell frontal, der Sicherungsstift entfällt. Bild15: Taucherhelm des DM220/2 Um dem Taucher mehr Standfestigkeit zu geben, wurde in das Rückengerät ein Zusatzgewicht (7,85 kg) eingearbeitet. Um das Gleichgewicht zu halten, kann frontal ein weiteres, schweres Front-Gewicht (7,45 kg) über den Taucherautomaten des DM220/2 montiert werden. Bild16: DM220/2 Taucherhelm mit Frontgewicht über Taucherautomaten Die Erfahrungen bei Spül- und UW-Betonierarbeiten hatten gezeigt, dass sich feiner Schlamm oder noch schlimmer, schnellhärtender UW-Beton in die Fuge des Schnellverschlusses von Helm-/und Brustgewicht setzen konnten. Darum ist bei späten DM220-Helmen eine Wulst, die über den Schnellverschluss herausragt, ausgeprägt worden. Um eine leichtere Montage der Schläuche und Telefonkabel an der Rückseite des Helms gewährleisten zu können, wurde der Winkel der sogenannten „Bubikopf“-Auskragung verändert . Bild17: Links die steilere "Bubikopf"-Ausprägung des DM220 Die wohl sicherheitstechnisch wichtigste Änderung ist jedoch, dass die Helme der DM220/1 und DM220/2 wieder ein solides Rückschlagventil direkt am Helm-Lufteingang haben. Bild25: DM220-Helmschlauch,links ohne, rechts mit Rückschlagventil Dieses ist im Helmschlauch integriert, unmittelbar an der Schraubkupplung zum Helm. Damit wurde der Taucher bei plötzlichem Druckverlust durch defekte Schläuche wieder sicher geschützt. DM220-Schulterstücke lassen sich sehr leicht identifizieren. Sie haben in der Mitte des frontalen DRAEGER Schriftzuges eine kleine Bohrung (4 mm). Die DM220/2-Helmtauchgeräte erhielten zum Umschalten der Luftversorgung (primär auf Reserve) ein neues, einfaches Umschalt-Ventil mit zwei Eingängen und einem Ausgang. Das benötigte aufgrund seines Aufbaus und des kleinen, kompakten Handgriffs keinen Schutzkorb mit Blattfeder-Sicherung mehr. Eine weitere, deutliche Verbesserung erfuhr die Telefon-Helmeinheit. Wurde die Kommunikation des Tauchers im DM200-System noch durch zwei eingebaute, dynamische Hör- und Sprechkapseln des Universal-Tauchertelefon UT300 realisiert, wurde in den DM220-Geräten die neue UT302-Telefonanlage verwendet. Bei denen sind Hörer und Mikrofon im Helm getrennt und können dadurch bei Wartungsarbeiten separat aus-/eingebaut werden. Bild18: Komplettes DM220 BUND Rückengerät 8. Spezifikation und technische Umsetzung DM220/2 BUND Die Bundeswehr als einer der größten Abnehmer der DM220/2-Geräte hat sie unter Berücksichtigung ihres speziellen Anwendungsgebietes überprüft und dabei eine Sicherheitslücke entdeckt. Beim Standard-DM220/2 (wie auch beim DM200/2) mündet ja der Anschlussschlauch der Luftzufuhr und der Schlauch des Reserveluftgerätes in das Handumschaltventil. Von dort wird die Luft dann über einen kurzen Schlauch zum Taucherautomaten weitergeführt. Durch Betätigen des Umschaltventils bestimmt also der Taucher, ob er Luft aus der primären Hauptluftzuführung oder aus dem Reservegerät erhält. Was passiert jedoch im Worst-Case Szenario, bei dem hinter dem Umschaltventil durch einen Defekt oder mechanische Einwirkung der Schlauch zum Taucherautomaten oder der Helmschlauch (Taucherautomat/Helm) beschädigt wird oder platzt??? Der Taucher hätte dann auch bei Wechsel auf das Reserveluftgerät kein Atemgas zur Verfügung. Für die DM220/2-Geräte der Bundeswehr wurde eine simple Lösung für dieses Problem gefunden. Die Luft aus dem Versorgungsschlauch wird über ein V-Adapter, der in den kurzen Schlauch zum Taucherautomaten führt, direkt dorthin geleitet. Der Schlauch des Reserveluftgerätes, führt hingegen in ein spezielles Umschaltventil [Bild19], welches nur einen Eingang und einen Abgang hat. Von dort führt dann ein zweiter Helmschlauch die Luft weiter in den Helm. Ist die primäre Luftversorgung also unterbrochen, kann die Reserveluft dem Taucher direkt über den zweiten Helmschlauch zugeführt werden. Durch eine Änderung am Umschaltventil [Bild20], dem V-Adapter und einen zweiten Helmschlauch hat man also eine tatsächlich 100%-ig redundante Atemgasversorgung des Tauchers geschaffen. Dazu mussten diese Helme jedoch auch wieder mit zwei Luftanschlüssen ausgestattet werden. Da beide Ports auch Schalldämpfer haben müssen, wurde auch der zur Frontscheibe führende Luftkanal innerhalb der Helmschale gerändert. Das Gewicht des Taucherhelms hat sich dadurch jedoch nur unwesentlich erhöht (von 8,08 kg auf 8,35 kg). Diese sicherheitsrelevanten Veränderungen mit hohem positiven Sicherheitspotential rechtfertigten jedoch die aufwendigen Anpassungen und Umbauten [Q8]. Um den Tauchern der Bundeswehr bei Unterwasserarbeiten noch mehr Standfestigkeit zu verleihen, wurde dieser speziellen Ausrüstung noch eine Gewichtsplatte (7,46 kg) beigelegt, die bei Bedarf zusätzlich zu dem schon vorhandenen Gewicht in die Rückenschale des Reserveluftgerätes integriert werden kann. Mit ca. 19,25 kg des Rückengerätes kommt es dadurch jedoch fast zu einer Verdoppelung des Gewichts gegenüber dem des DM200/2-Rückengerätes. Den besonderen Anforderungen der Bundeswehr entsprechend, wurden sehr robuste 4-polige Subconn-UW-Steckverbindungen für die Verbindung des Telefonkabels mit dem Helm installiert. Um unter Wasser ein unbeabsichtigtes Öffnen der Sicherheitsverriegelung von Helm und Schulterstück zu verhindern, ist ein Polypropylen Gurtband mit Fastex-Zugschalle und Lederlasche entwickelt worden, der vor dem Tauchen über den Schnellverschluss des Taucherhelms gelegt und festgezogen wird. Die Lederplatte verhindert dann ein ungewolltes Öffnen der Sicherheitsverriegelung. Zu einer kompletten 2-Mann-Helmtaucherausrüstung der Bundeswehr gehören übrigens immer zwei vollständige DM220/2 BUND-Systeme. Diese wird in vier Aluminiumkisten verstaut. 9. Helmtauchgeräte DM200 und DM220 in der Praxis Betrachtet man die Anforderungen, die man bei Planung und Entwicklung für die DM200- und DM220-Tauchgerät-Systeme gesetzt hat, kann man feststellen, dass die Ziele grundsätzlich erreicht wurden. Die Drägerwerke hatten ein Gerät geschaffen, dass den Vorgängermodellen in Bezug auf Tauchsicherheit durch den Taucherautomaten und die 800-bar/l-Reserveluftgeräte deutlich überlegen war. Mit diesen Geräten waren neue Fortbewegungsmöglichkeiten wie Schwimmen und Kopf-Über-Abtauchen möglich. Das wurde jedoch in der Praxis nur sehr selten angewendet. Auch ein Arbeiten im Schwebezustand ließ sich mit diesen Geräten besser praktizieren als mit den alten Helmtauchgeräten. Waren früher mindesten drei, besser sogar vier Personen notwendig, um dem Taucher in den Tauchanzug zu helfen, reichte jetzt ein Taucherhelfer, um dem Taucher die komplette Ausrüstung anzulegen. Das Gewicht der Standardausrüstung wurde reduziert. Im Verhältnis zu entsprechenden Geräten der Wettbewerber waren die DM200 und DM220 jedoch immer noch zu schwer. Das Handling wurde durch dünnere, geschmeidigere Schläuche und Telefonleinen komfortabler. Trotzdem war der Taucher in dieser Ausrüstung nicht so beweglich wie in einem Nassanzug. Der Bedarf an notwendigen Werkzeugen, um den Taucher tauchklar zu machen, reduzierte sich auf zwei 30-er Maulschlüssel. Spätestens mit den UT302-Taucher-Telefonen war eine gute Kommunikation zwischen Taucher und Signalmann gegeben, die ggf. auch auf eine Kommunikation zwischen zwei Tauchern und dem Signalmann erweitert werden konnte. Dem gegenüber stand aber immer noch ein relativ hoher Zeitaufwand für das Überprüfen der Tauchtechnik vor dem Tauchgang und das Anlegen der Ausrüstung. Konnte der Helm mit dem Schulterstück jetzt in Sekundenschnelle verbunden werden, dauerte dafür jedoch das ordnungsgemäße Verbinden des Schulterstücks mit dem Tauchanzug durch die 4 Segmente und 12 Flügelmuttern erheblich länger als früher beim 3-Bolzen Flansch. Eine gewisse Abneigung einiger erster Taucher beim Übergang auf das DM200-System war allermeist rein psychologischer Natur. Die Taucher, die bis dahin nur den voluminösen Kupferhelm mit 32 cm Innendurchmesser, Frontfenster, zwei Seitenfenstern und Oberlicht kannten, fühlten sich in dem kleinen Helm mit nur zwei Fenstern einfach unwohl. Bei Tauchern mit sehr großem Kopfumfang gab es manchmal ein tatsächliches Platzproblem. Hinzu kam der Umstand, dass der Taucher, der sonst links oder rechts aus dem Helm schaute, um sich zu orientieren, nun oft den Oberkörper drehen musste, um zu sehen was zu seiner rechten oder linken Seite geschah. Nach einer mehr oder weniger langen Eingewöhnungszeit, wurden die neuen Geräte jedoch akzeptiert. Logischerweise kamen dagegen Taucher, die nie mit den alten Kupferhelm-Ausrüstungen getaucht hatten, sehr schnell mit den neuen Geräten klar. 10. DM200 und DM220 im internationalen Vergleich Es war schnell erkennbar, dass die Drägerwerke nach einer anfänglichen guten Startphase mit der Nachfrage und dem Absatz dieser Geräte ein Problem hatten. Dafür sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend gewesen. Analysiert man die internationale Entwicklung der Helmtauchgeräte ab den späten 60-er Jahren, erkennt man folgendes: Die Syteme DM200 und DM220 sind international die einzigen Helmtauchgeräte gewesen, bei denen noch bewusst auf die Kombination des Taucherhelms mit einem Schulterstück gesetzt wurde. Auch wenn der am Schulterstück befestigte Taucherautomat eine sehr innovative, gute Sache war, gab es international nur noch La Spirotechnique, die eine ähnliche Konstruktion entwickelte und diese aber auch nur in sehr geringer Anzahl produzierte. Die Tatsache, dass ein Schulterstück wie das der DM200/DM220 das Gesamt-Helmgewicht besser auf den Schultern verteilt, der Tragekomfort also höher ist als bei Systemen ohne Schulterstück, wurde nicht argumentativ genutzt. Weiterhin setzten nur noch sehr wenige Hersteller bei der Entwicklung von modernen Helmtauchgeräten auf das Free-Flow-Prinzip, also die freie Helmatmung. Mit dem Ende der Kupferhelm-Ära, wurden nicht nur Design, Gewicht und Material der neuen Helme geändert. Man suchte auch nach Lösungen, um den Tauchern einen sehr hohen Atemkomfort zu ermöglichen. Die amerikanische Firma Kirby Morgan verfolgte so einen interessanten anderen Weg. Bei ihren Ausrüstungen atmet der Taucher über einen mit dem Taucherhelm fest verbundenen Atemregler. Für diese lungenautomatische Bedarfsregelung bedarf es im Taucherhelm aber einer Innenmaske, die sich vor Mund und Nase des Tauchers befindet. Der Taucher atmet damit also ähnlich wie in einer Vollgesichtsmaske mit Atemregler. Helme mit solcher Demand-Versorgung müssen nicht mit dem Anzug verbunden sein. Sie können einfach mit einer Halsmanschette getaucht werden. Die Rüstzeiten für den Taucher reduzieren sich also erheblich. Ein geringes Gewicht dieser Helme, bzw. der gesamten Ausrüstung, schnelle Adaptierung auf verschiedene Arten von Tauchanzügen, die Möglichkeit zum manuellen Druckausgleich, eine hohe Beweglichkeit, das sind weitere Vorteile der Superlite-Helmtauchausrüstungen von Kirby-Morgan. Diese Merkmale und auch ein wesentlich günstigerer Preis als für das Dräger Gerät, führte bei vielen Berufstauchern zu einem Umschwenken auf diesen Hersteller. Neben einem immer stärker werdenden Markteinbruch im Bereich der professionellen Tauchtechnik führte auch eine generelle Umorientierung auf andere Produktbereiche in den Drägerwerken dazu, dass die Produktion der DM220-Taucherhelme Ende der 80-er Jahre eingestellt wurde. Die Bundeswehr war in Deutschland der letzte große Nutzer dieser Tauchtechnik. Dort wurden diese Geräte erst 2020 außer Dienst gestellt. Der Auslauf der Fertigung des DM220-Systems, war dann leider auch das Ende der langen traditionsbehafteten Produktion von Helmtauchgeräten in den Drägerwerken. Fortan wurden in Lübeck keine Helmtaucherausrüstungen mehr produziert. 11. Eine Schlussbemerkung Die DM200- und DM220-Helmtaucherausrüstungen unterlagen, unabhängig von Einsatz-/ und Verwendungszweck, in Intervallen Inspektionen, Wartungen, Instandsetzungen und Instandhaltungen. Wurde während der Betriebsdauer einer Helmtaucherausrüstung der Soll-Zustand durch die Drägerwerke auf einen neuen Standard angehoben (Upgrade), musste das Gerät diesem geänderten Niveau angepasst werden. Das kann unter Umständen dazu führen, dass man an Geräten Änderungen findet, die im ursprünglichen Auslieferungszustand so nicht vorhanden waren. Durch gewollten oder ungewollten Austausch/Vertausch von verschiedenen Komponenten einzelner Systeme untereinander im Betriebseinsatz kann es ebenfalls zu Unstimmigkeiten kommen. Sicherlich ist es für den Historiker oder Sammler immer wünschenswert, eine perfekte, originale Ausrüstung, am besten mit Match-Number, zu finden. Die Realität zeigt aber, dass dies sehr schwer ist. Die Frage nach dem historisch wertvollsten Gerät aus der DM200 / DM220-Reihe ist sicherlich nicht einfach zu beantworten. Ich persönlich denke, dass ein frühes, puristisches DM200/1, von dem es nur noch sehr, sehr wenige gibt, mit allem originalen Schläuchen, Gewichten [B24], Flossen und dem Puma-Frogman-Messer, dass für mich wertvollste System darstellt. Bild24: Brust- u. Rückengewicht DM200/1 u. DM220/1 Und wenn diese Ausrüstung dann Schrammen, Dellen oder Abplatzer hat, die von einem harten Einsatz zeugen, dann ehrt das mehr, als es den Wert schmälert. Aber das entscheidet schlussendlich jeder Tauchhistoriker bzw. Sammler für sich selbst. Fakt ist doch, laut Definition sind alle technischen Teile mit einem Alter über 30 Jahre schon „Oldtimer“. Darum kann ein DM200- oder DM220-Taucherhelm durchaus und selbstbewusst in die Reihen seiner kupfernen Vorgänger eingereiht werden! Quellen: [Q1] Dräger Sonderheft "Tauchtechnik" [Q2] Interview mit Ing. Rudolf Holst [Q3] Drägerheft Nr. 296, April-Juni 1974, S. 8 [Q4] Gebrauchsanweisung BA2131 Drägerwerke [Q5] Drägerheft Nr. 310, [Q6} Interview mit StOBtsm. Enrico Kossak Alle Bilder ohne Quellenangaben sind vom Autor. Danksagung: Mein besonderer Dank für die Hilfe bei der Erstellung dieses Beitrags gilt Hr. Ing. Rudolf Holst und StOBtsm. Enrico Kossak. Beide haben mir mit ihrem hohen Fachwissen und vielen wertvollen Hinweisen außerordentlich geholfen. Bilder vom Workshop DM200/220 der HTG, siehe Beitrag auf Seite 86