Tauchen im Dienste der Wissenschaft Exkurs zur archäologischen Unterwasserforschung in der DDR, Teil 2 von Dr. Roger Blum Vom Einbaum über vorgeschichtliche und mittelalterliche Siedlungsreste, Brückenanlagen bis hin zu neuzeitlichen Schiffs- und Flugzeugswracks liegen alle möglichen Relikte der Vergangenheit auf dem Grund unserer Gewässer. In den 1950-er und 1960-er Jahren wurde in der DDR mit der Bestandserfassung archäologischer Fundplätze in den Binnenseen und der Ostsee begonnen. Da die Gewässer auf dem Gebiet der DDR archäologisch zum größten Teil noch unerforscht waren, bot sich für Archäologen und Taucher ein reiches Betätigungsfeld. Mancher Siedlungsplatz, von denen die Wissenschaft nichts wusste, wurde von Sporttauchern entdeckt. Es gab einige aufsehenerregende Forschungskampagnen, die wertvolle Informationen über die Siedlungsgeschichte des nordostdeutschen Raumes erbrachten. Der folgende Beitrag stellt anhand von Beispielen die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Berufsarchäologen und Sporttauchern in der DDR dar. Fortsetzung des Beitrages aus der TauchHistorie 16 Erkundung bronze- und slawenzeitlicher Fundplätze im Schermützelsee und Kleinen Däbersee (1971 – 1978) Im Herbst 1971 fanden Taucher der GST-Grundorganisation Tauchsport Buckow und Waldsieversdorf an der Halbinsel Bollersdorf am Westufer des Schermützelsees zahlreiche bronzezeitliche Gefäßteile. Das Fundmaterial wurde durch weitere Tauchgänge der Buckower GST-Taucher erweitert. Im Juli 1978 fand der Buckower Taucher Helmut Günzel einen offensichtlich bearbeiteten hölzernen Gegenstand, der von Karl-Uwe Heußner als Teil eines Pfluges identifiziert wurde. Heußner hatte von 1977 bis 1982 Ur-und Frühgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und widmete sich vor allem der Datierung von Holzfunden und Erschließung von Jahrringen der Hölzer als Informationsträger für archäologische Forschungen. Nach der Wende wurde er Leiter der Abteilung Dendrochronologie des Deutschen Archäologischen Instituts. Heußner veranlasste die Einlieferung des Bollersdorfer Pfluges in das zuständige Museum für Ur- und Frühgeschichte Potsdam. Nach einer Altersdatierung mit der C14-Methode stammt der Pflug aus der Zeit zwischen etwa 900 und 800 v. Chr. Der Fundplatz wurde auch von der Berliner GST–Tauchsportgruppe des Kabelwerks Oberspree erkundet. Auf Anregung von Eva Driescher, die zu den Veränderungen der Gewässerstände in historischer Zeit promovierte, wurde der Fundplatz von Peter Carl und Peter Torger am 16.9.1972 und 7.10.1972 untersucht. Der Fischer aus Buckow hatte von Pfahlresten berichtet und den Tauchern einen Kahn zur Verfügung gestellt. Unmittelbar an der Schilfkante beobachteten die Taucher eindeutig manuell bearbeitete Hölzer. Es wurden zahlreiche Pfähle nachgewiesen und Proben entnommen. Vom Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie der AdW der DDR wurde eine Altersbestimmung durchgeführt. Die C14-Datierung ergab für einen der bearbeiteten Pfähle ein Alter von 2.719 +/- 100 Jahren. Neben den spätbronzezeitlichen-früheisenzeitlichen Fundplatz bei Bollersdorf war auch die „Liebesinsel“ im Südosten des Schermützelsees Gegenstand unterwasserarchäologischer Erkundungen. Auch hier wurde von Pfählen berichtet, die noch nicht näher untersucht wurden. Am 18. Mai 1974 erfolgte ein Taucheinstieg der GST-Tauchgruppe um Peter Torger vom Kabelwerk Berlin-Köpenick. Die Taucher fanden ebenfalls bearbeitete Hölzer. Die Pfähle wurden als Reste einer slawischen Brücke gedeutet, die auf eine kleine Insel führte. Der Buckower Taucher Helmut Günzel, der den Fundplatz eingehend betaucht hatte, fand neben den Holzkonstruktionen einen Mahlstein, Tierknochen sowie mittelslawische und spätslawische Keramik. Nach seinen Unterwasserbeobachtungen hat er ein Modell der Burg und der Brückenkonstruktion geschaffen. Modell der slawischen Burg an der „Liebesinsel“ im Schermützelsee von Helmut Günzel Die GST-Taucher aus Buckow und Waldsieversdorf haben nicht nur im Schermützelsee, sondern auch im nahegelegenen Kleinen Däbersee bei Waldsieversdorf interessante Entdeckungen gemacht. Hier stand auf einer durch Sumpf, Seen und steil abfallende Hänge geschützten Anhöhe eine altslawische Burganlage. Den damals einzig möglichen Zugang von Westen her versperrten zwei Wälle. In den Jahren 1969 bis 1973 fanden die GST-Sporttaucher aus Buckow im Wasser eine Eisensichel, einen Wetzstein, drei Mahlsteine, Lehmwannenteile und slawische Keramik. Neue UW-Forschung an der Fergitzer Burgwallinsel (1971 -1975) In den 1970er Jahren war die Fergitzer Burgwallinsel im Oberuckersee erneut in den Fokus unterwasserarchäologischer Forschung geraten. Prenzlauer GST-Taucher berichteten vom Fund eines Einbaums. Der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Hans-Jürgen Schultz aus Röpersorf bei Prenzlau hatte im Sommer 1971 im Uferbereich Holzreste gefunden, die nicht zu der Brückenanlage gehören konnten. Sie stammten wohl von Uferbefestigungen, und Annäherungshindernissen. Westlich der Insel fand er einen gut erhaltenen Bootsspant. Bei weiteren Einsätzen konnte der gesamte Bootskörper ausgegraben und aus dem Schlamm geborgen werden. Vermutet wurde, dass es sich um einen Einbaum handelte. Das Alter des etwa 5 m langen Bootes wurde auf etwa 800 Jahre geschätzt. Nach dem Fotografieren und Vermessen wurde der Einbaum wieder im Wasser versenkt, damit es zunächst erhalten bleibt. Fachleute sollten den Fund begutachten und über den weiteren Verlauf entscheiden. Schulz erinnert sich, dass das das Boot aus einem Stück bestand und sich im Inneren lediglich einige eckige Hölzer befanden, die offensichtlich der Stabilität der Seitenwände dienten. Der Fund war bootsbautechnisch interessant, weil es sich wohl um einen erweiterten Einbaum handelte. Die Verbindung von Einbaum und Klinkerboot ist seit dem 10. Jahrhundert bei den Slawen im Süden der Ostsee nachweisbar. Martin Rauschert (li) und Klaus Hamann (re) bei der Kamerareparatur mit "Spezialwerkzeug" in Warnitz Später hat Hans-Jürgen Schulz den Einbaum gemeinsam mit befreundeten Sporttauchern auf ihren Schultern ins Museum im Dominikanerkloster Prenzlau gebracht. Dort fand er offensichtlich wenig Beachtung. Zum Entsetzen aller endete er – so erzählt man sich – als Brennholz im Backofen einer Bäckerei. Jochen Wagner, damals Chefredakteur der Taucherzeitschrift „Poseidon“, berichtete Martin Rauschert von dem Fund der Prenzlauer Taucher. Nach diesem Hinweis setzte sich Rauschert mit Hans-Jürgen Schulz und seiner GST-Tauchergruppe in Verbindung. Rauschert fuhr daraufhin im September 1975 mit Tauchern der AG für Unterwasserforschung und Berliner Taucher um Klaus Mischke an den Oberuckersee und suchten den einstigen Fundplatz ab. An der beschriebenen Stelle fanden sie eine Vertiefung im Seegrund. Die Fundstelle des Einbaums war von einigen Pfahlstümpfen umgeben. Im Schlamm ertasten sie eine Menge Brandschutt der zerstörten Burganlage und bargen zugeschnittenes Holz mit teerartigen Resten. Sie sprachen noch einmal die damalige Fundsituation durch. Die Prenzlauer Taucher hatten das Wrack mit Brandschutt der Burganlage gefüllt im Grundschlamm gefunden. Die Ladung bestand vermutlich aus dem bei der Zerstörung ziegelartig hart gebrannten Lehm des Burgwalls (sog. „Schwimmsteine“). Rauschert vermutete daher, dass der Bootsfund in eine spätere Zeitepoche zuzuordnen sei. Vermutlich habe – so Rauschert – jemand versucht, den Brandschutt des Burgwalls abzutransportieren, um ihn als billigen Baustoff zu verwenden. Die Taucher hatten an der Fundstelle des Einbaums auch neue Pfähle lokalisiert. Diese konnten nicht zur Brücke gehören, denn diese traf weiter südlich auf die Insel. Es wurde vermutet, dass es sich um einen Werk- und Anlegeplatz handelte, an dem die Bauelemente für die Brücken bearbeitet wurden. Darauf deuteten Massen von Holzabfällen und die bearbeiteten Holzteile hin. Zudem lag hier vielfältiges slawenzeitliches Fundmaterial: Scherben und komplette Gefäße, eine eiserne Sichel, Messer, eine Holzkelle, eine Lanzenspitze, eine Axt, ein fischförmiges Angelblei, ein Eiskrebs, Tierknochen und Geweihreste sowie einige frühdeutsche Netzsenker und Gefäßscherben. In zwei Tauchtagen hatten die Taucher mehr gefunden als während der intensiven Erkundungen zwischen 1962 und 1965. Einer der interessantesten Funde waren zwei bearbeitete Eichenstämme von knapp 3 m Länge und einem Durchmesser bis zu 70 cm. Sie waren nach einer Seite hin abgeflacht und hatten eine auffällige Kehlung. Die mehrere Hundert Kilogramm schweren Stammstücke wurden von den Tauchern „Rammbären“ genannt. Ein Pendant dazu hatten die Prenzlauer Taucher schon vorher hier gefunden. Als „Rammbär“ bezeichnet man eigentlich einen Fallblock (Stampfklotz) zum Eintreiben von Spundbohlen und Pfählen in den Baugrund. Rammbär in Fergitz (1976) Da es aber unwahrscheinlich ist, dass die slawischen Brückenbauer die Pfähle bis zu 3 m tief in den Seegrund gerammt haben, wurden die „Rammbären“ eher als schwere einseitige Hebel gedeutet, die mit der Kehlung seitlich an einen Pfahl angesetzt werden konnten. Martin Rauschert vertrat die Theorie, dass die Pfähle vermutlich entweder vom Eis oder vom Floß aus gesetzt wurden. Die Theorie, dass der „Rammbär“ als Hebel zum Eintrieb der Brückenpfähle gedient haben könnte, blieb aber umstritten. Ein „Rammbär“ wird zwecks dendrochronologischer Untersuchung zersägt, um anhand der Jahresringe das Holzalter und das Fälldatum zu bestimmen (1976) Die gemeinsam mit den GST-Tauchern durchgeführte Forschungskampagne am Oberuckersee gehörte zu den ergiebigsten Taucheinsätzen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und der AG für Unterwasserforschung. Die „Pfahlsiedlungen“ von Röpersdorf und Zollchow am Unteruckersee (1977/1978) In den Jahren 1977 und 1978 fand der Taucher und Bodendenkmalpfleger Hans-Jürgen Schulz vor Röpersdorf und Zollchow am Westufer des Unteruckersees mehrere Pfahlkonzentrationen unbestimmter Funktion. Er informierte Martin Rauschert, den er bei Forschungen an der Fergitzer Burgwallinsel im Oberuckersee kennengelernt hatte. Zwischen den Pfählen wurden neben spätslawischen Gefäßresten auch fünf hölzerne Stielschare entdeckt Gemeinsam mit GST-Tauchern aus Prenzlau in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie der AdW zu Berlin wurden die Fundstellen näher untersucht. Die Pfahlreste wurden mit großen Stangen markiert und eingemessen. Fertigmachen zu Tauchgang. Im Hintergrund sieht man die durch Stangen markierten Fundstellen der Pfahlreste Es handelt sich um die Überreste slawischer Baulichkeiten aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, vielleicht um Warenumschlagplätze für den Handel auf der Ucker oder um Fischereistationen samt Trockengestellen. Vermutlich mussten die Slawen ihre Siedlungsplätze im unmittelbaren Uferbereich des Unteruckersees in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgeben. Denn spätestens mit der Gründung der Stadt Prenzlau 1234 wurde deutlich, dass es im Raum Prenzlau nur noch Platz für ein Wirtschaftszentrum gab – Prenzlau. Mit dem Prenzlauer Mühlenstau 1235 und 1245 stieg der Wasserspiegel des Unteruckersees an, so dass größere ufernahen Siedlungs- und Wirtschaftsflächen im See versanken. Untersuchung eines Pfahlrests im Unteruckersee Der Mahlstein vom Arendsee (1982/1983) Am 15. Mai 1982 stießen Taucher der GST-Grundorganisation Kommunale Berufsschule Osterburg bei einem Tauchgang im Arendsee auf einen großen runden Stein. Die Taucher vermuteten, dass sie auf einen Mahlstein aus der versunkenen Mühle gestoßen sind, die vor fast 300 Jahren in dem See versunken sein soll. Der Legende nach erfolgte am 25. November 1685 am Arendsee ein gewaltiger Erdrutsch, der dem See seine heutige Form verlieh. Die Fundstelle des Mahlsteins befand sich etwa 60 Meter vom Ufer entfernt in zwölf Meter Tiefe. Da die Taucher die Fundstelle nicht markiert hatten, dauerte es über ein Jahr, bis der Stein wiedergefunden wurde. Am 27. Mai 1983 wurde der Fundplatz mit einer Boje gekennzeichnet. Der Rat der Stadt beschloss gemeinsam mit Vertretern der GST und der Freiwilligen Feuerwehr, den Mahlstein im Rahmen eines Tauchausbildungslagers zu bergen. Am 26. September 1983 war es dann soweit: Die Feuerwehr rückte mit einer Motorpumpe, mit Schläuchen und Strahlrohren an. Dieses Aggregat sollte den Tauchern helfen, den Sand und Schlick vom Stein zu spülen. Die Taucher zogen dann eine Leine durch das Achsloch in der Steinmitte und brachten die Leinenenden an die Oberfläche. Das auf dem Arendsee verkehrende Motorschiff „Seeadler“ wurde für diese Aktion zum „Bergungsschiff“ umfunktioniert. Es legte sich über den Stein und nahm die Leinenenden an Bord. Über angeschlagene Blöcke wurde mit einem Hubzug der Stein angehievt und an einer Schräge am Grund wieder abgelegt – das Gewicht des Steins ließ die Lastsicherung im Hubzug abscheren. Am nächsten Tag nahm die „Seeadler“ den Stein erneut auf, hievte ihn bis unter den Kiel und fuhr so weiter Richtung Land, bis die Last auflag. Ein starker Autokran nahm den Fund auf und brachte ihn gleich zum vermutlich letzten Standort – hinter der Klosterkirche Arendsee. Dort gehört der Mahlstein zu den Ausstellungsstücken des Heimatmuseums. Forschungen an der der Klosterbucht Seehausen (1984 - 1989) Eine weitere bemerkenswerte Forschungskampagne fand an der Halbinsel Seehausen am Oberuckersee statt. Dort befand sich im Spätmittelalter ein Zisterzienserinnen-Kloster. 1984 fand der GST-Taucher und ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Hans-Jürgen Schulz im Uferbereich der Klosterbucht Holzreste sowie Scherben zerbrochener Krüge und Töpfe. Er informierte daraufhin seine Tauchfreude in Prenzlau, aber auch GST-Kameraden aus Rostock, Berlin und Leipzig. Sie hatten bereits einige Erfahrungen bei UW-Grabungen an der Fergitzer Burgwallinsel im Oberuckersee und im Unteruckersee bei Röpersdorf gesammelt. In Zusammenarbeit mit den staatlichen Organen der Bodendenkmalpflege und dem Kulturhistorischem Museum Prenzlau wurde der Fundplatz eingehend untersucht. In der Zeit zwischen 1984 und 1989 wurden etwa 20.000 Funde geborgen, darunter etwa 900 Töpfe, Becher, Krüge und Kannen aus Keramik, Messing und Zinn. Des Weiteren bargen sie klösterliche Alltagsgegenstände wie Nadeln, Messer, Schlüssel, Schlösser und Scheren, aber auch Münzen, Pilgerzeichen, Ringe und Perlen. Eine weitere Besonderheit war auch ein Püppchen aus weißem Pfeifenton und ein Hiebschwert. Es handelte sich um den bis dahin größten Hortfund des 13. bis 16. Jahrhunderts im Nordosten Deutschlands. Taucher der GST-Tauchersportgruppe Prenzlau suchen an der Klosterhalbinsel Seehausen nach Funden (1984) Fortsetzung der Forschungen an der Kemlade Altenhof (1989) Eines der letzten unterwasserarchäologischen Projekte in der DDR führte wieder an den Werbellinsee nach Altenhof. Am 1. Oktober 1989 wurden hier zum Zwecke der Altersbestimmung mehrere Pfähle des Pfahlbaus gezogen. Der Altenhofer Taucher Klaus Hörnicke erinnert sich, dass ein Doppelponton mit Lastrahmen auf dem sich ein Flaschenzug mit Seil befand, über dem Pfahlbau positioniert wurde. Nachdem ihm gezeigt wurde, welche Pfähle gezogen werden sollten, legte er das Seil um den jeweiligen Pfahl. Dann wurde gezogen und gewackelt. Um die Pfähle besser aus dem Seegrund zu lösen, wurde unter Wasser ein Spühlrohr verwendet. Bei gleichzeitigem Einsatz von Spülgerät und Flaschenzug wurden an einem Tag vier Eichenpfähle gezogen. Die anschließende Untersuchung ergab, dass das Holz im Winter 1283 geschlagen wurde. In der Zeit von 2018 bis 2020 wurde unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Felix Biermann und mit Genehmigung des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums der Pfahlbau von Altenhof von Jan Seifert und Roger Blum erneut untersucht. Klaus Hörnicke, der 1989 beim Ziehen der Pfähle geholfen hatte, war Gast bei den 30 Jahre später stattfindenden Forschungen. Der von Gerhard Kapitän im Jahre 1957/58 gefertigte Plan konnte durch die neuen Forschungen vervollständigt werden. Ein weiterer Schwerpunkt der Tauchgänge lag in der Suche nach Funden. Es kamen interessante Funde zutage, u.a. Armbrustbolzen, Pfeilspitzen, Kampf-Messer, mittelalterliche Keramik und eine Bügelschere. Ein besonderer Fund war ein sogenannter „Bisamapfel“, ein schmuckartiger Behälter, der im Mittelalter für Duftstoffe und medizinische Zwecke verwendet wurde. Des Weiteren wurden Holzproben zur Altersbestimmung entnommen. Die Befunde ermöglichten neue Erkenntnisse zum bisher noch ungeklärten Nutzen der baulichen Anlage. Bisher wurde vermutet, dass der Bau die Burg Breden sein könnte bzw. mit ihr in Zusammenhang stand. Prof. Biermann wertete historische Quellen aus und verglich diese mit den Funden und den Ergebnissen der Dendroproben. Diese deuten darauf hin, dass die Kemlade um 1273 errichtet, etwa 10 Jahre später weiter ausgebaut oder bereits restauriert und vor 1330 wahrscheinlich durch einen Brand zerstört wurde. Es ist anzunehmen, dass der Pfahlbau von Altenhof nicht – wie bisher angenommen – der Burg Breden zuzuordnen ist, sondern es sich vielmehr um die Überreste der mittelalterlichen Burg Werbellin handelt, die bisher am Südufer des Werbellinsees bei Eichhorst verortet wurde. Zusammenfassung Der Beitrag zeigt, wie Sporttaucher wichtige Helfer der archäologischen Unterwasserforschung in der DDR wurden. Vor allem bei der Ortung und Meldung neuer Fundplätze war die Mithilfe der Sporttaucher erforderlich, denn solange die Fundstellen unbekannt waren, konnte keine systematische Forschung erfolgen. Auch bei der Erforschung und Dokumentation bekannter Fundplätze sowie der Fundbergung waren die Archäologen aufgrund begrenzter Ressourcen häufig auf die Hilfe der Sporttaucher angewiesen. Andererseits bestand die Befürchtung, dass Fundstellen und Fundzusammenhänge durch eine unsachgemäße Bergung der Funde unwiederbringlich zerstört werden. Bis in die 1970-er Jahre wurde daher im Wesentlichen auf die Taucher der AG für Unterwasserforschung zurückgegriffen. Danach wurden auch immer mehr interessierte GST-Taucher eingebunden. Die Archäologen konnten auf gut ausgebildetes Personal und in der DDR schwer beschaffbare, meist im Eigenbau hergestellte technische Hilfsmittel wie Tauchgeräte und Fotokameras zurückgreifen; die Sporttaucher konnten unter Anleitung der Wissenschaftler anstatt planloser, letztlich auf für sie unbefriedigender Fundbergungen, ihrem Hobby nachgehen. Die Kooperation war beiden Seiten von Nutzen. Der Ansatz Kooperation statt Konfrontation hatte sich bewährt. Durch Informationsvermittlung, Koordination und Integration wurde ein wichtiger Beitrag zur Erforschung und zum Schutz der Denkmale unter Wasser geschaffen. Dank des Autors Der Autor dankt Prof. Dr. Felix Biermann, Steven Blum, Dr. Peter Carl, Dr. Thomas Förster, Helmut Günzel, Klaus Hamann, Dr. Albrecht Herrmann, Klaus Hörnicke, Peter Scharf (verst. 2020), Jan Seifert, Günter Netzel, Hans-Jürgen Schulz, Dietmar Steinbach, Dr. Martin Rauschert und Dr. Helmut Wolff für ihre zahlreichen Informationen, Anmerkungen und Hinweise sowie die Bereitstellung von Bildmaterial. Literatur Bastian, Willy: „Die Kemladen – ein neuer Burgentyp“ in Ausgrabungen und Funde, 3/1958, S. 100 ff. Biermann, Felix: „Der Burgwall von Fergitz und die Inselsiedlungen der Slawenzeit im brandenburgischen Raum“, S. 27 – 144, in: Biermann, Felix/Heußner, Karl-Uwe: „Historische Gewässernutzung im nordostdeutschen Gebiet“, Studien zur Archäologie Europas, Band 28, Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn, 2016. Biermann, Felix/Blum, Roger/Seifert, Jan: „Ein markgräflicher Pfahlbau im Werbellinsee: die spätmittelalterliche Kemlade von Altenhof“ in Burgen und Schlösser 2/2020, S. 66 – 94. Blaschke, B.: „Das Museum und die Taucher“ in Poseidon 11/1966, S. 499. Blum, Roger: „Unterwasserarchäologische Forschungen zur Slawenzeit in der Deutschen Demokratischen Republik – ein Rückblick auf die 1950er und 1960er Jahre“, S. 373 – 390, in: Biermann, Felix/Kersting, Thomas/Klammt, Anne (Hrsg.): „Burg, Herrschaft und Zentralörtlichkeit im nördlichen westslawischen Raum“, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 92, Beier & Beran. Langenweissbach, 2020. Blum, Roger/Blum, Steven: „Schwerelose Zeiten – Tauchererinnerungen“, Berlin, 2020. Blum, Roger/Steinbach, Dietmar: „Abenteuer Brunnentauchen“ in Tauchgeschichte Spezial 20/2021, S. 41 ff. Driescher, Eva: „Zweieinhalbtausendjährige Siedlungsreste im Schermützelsee entdeckt“ Poseidon 6/1975, S. 281 ff. 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Kapitän, Gerhard: „Das Raubritternest im See - Frühgeschichtliche Geheimnisse der Seen der Mark Brandenburg und Mecklenburg“ in: Neptun 1964, Heft 12, S. 304 ff. Kucher, Herbert: „Koordinieren – nicht reglementieren – Zu den Aufgaben der Arbeitsgruppe Interessengebiete“ in Poseidon 3/1975, S. 135 f. Kucher, Herbert: Arbeitstagung der AG Interessengebiete, Poseidon 1977, Heft 6, S. 283. Lanitzki, Günter: „Unternehmen Tempelburg“, Poseidon 1/1966, S. 385 – 391. Lanitzki, Günter: „Enzyklopädie en miniature – Taucharbeiten im Dienst der Ur- und Frühgeschichtsforschung in der DDR“, Poseidon 1/1975, S. 19 – 23. Perkuhn, Mathias: „Der Mahlstein vom Arendsee“ in Poseidon 2/1984, S. 36. Rauschert, Martin: „Wrackerkundung bei Hiddensee“ in Poseidon 1966, S. 241 ff. Rauschert, Martin: „Bartaxt, Lanzenschuh, Keramik… Weitere archäologische Funde im Ober-Ückersee bei Prenzlau“ in: Poseidon 3/1976, S. 97–101. 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